Immer mehr Kompetenzen für die Militärs

■ In Polen kämpfen Präsident, Koalition und Generalstab um ihren Einfluß

Noch Ende letzten Jahres erregte Polens Verteidigungsminister Piotr Kolodziejczyk Unmut in Polens Blätterwald, als er die Nato als „Relikt einer vergangenen Epoche“ bezeichnete. Inzwischen ist auch Kolodziejczyk auf die von den Solidarność-Regierungen vorgezeichnete Linie eingeschwenkt und bemüht sich nach Kräften, Polens Drang in die Nato Glaubwürdigkeit zu verleihen. Daß ihm das nicht immer gelingt, hängt auch damit zusammen, daß zwischen Präsident Walesa und der Regierungskoalition seit geraumer Zeit ein heftiges Tauziehen um den Einfluß der Armee stattfindet. So hat sich Walesa bereits seit seinem Amtsantritt bemüht, bei Polizei, Armee und Geheimdiensten einen Fuß in die Tür zu bekommen – was ihm weitgehend gelungen ist.

Als Vertrauensmann Walesas gilt neben Verteidigungsminister Kolodziejczyk auch der Generalstabschef General Tadeusz Wilecki. Polens Regierung hatte Walesa die Besetzung des Verteidigungsministeriums von vornherein überlassen, laut Verfassung hätte sie den Präsidenten nur konsultieren müssen. Als Sozialdemokraten und Bauernpartei dann zumindest die Ernennung parteipolitischer Vizeminister forderten, blockten Kolodziejczyk und Walesa ab. Als die Vizeminister, darunter die sozialdemokratische Abgeordnete Danuta Waniek, mit einiger Verspätung schließlich doch ernannt wurden, hatte Kolodziejczyk sein Ressort bereits so reformiert, daß die Stellvertreter kaum noch Kompetenzen haben: Die Oberkommandierenden von Marine, Heer und Luftwaffe unterstehen nun dem Generalstab ebenso wie der militärische Nachrichtendienst. Der gilt als besonderer Leckerbissen für machthungrige Politiker, weil er keinerlei parlamentarischer Kontrolle unterliegt und auch innenpolitisch einsetzbar ist.

Zu Walesas Konzept gehört ferner, den Generalstab direkt einem „Generalinspekteur der Streitkräfte“ zu unterstellen, der vom Präsidenten ernannt wird und vom Minister und dem Parlament völlig unabhängig ist. Das Verteidigungsministerium dürfte sich dann nur noch um die Offizierssiedlungen, das militärische Gesundheits- und Sozialwesen, den Militärhaushalt und ein paar Verwaltungsfragen kümmern. Die militärische Führung läge außerhalb seiner Kompetenz. Auch die geplante parlamentarische Kontrollkommission für die Geheimdienste könnte dann allenfalls noch das zivile „Informationsbüro“ kontrollieren.

Sowohl in der Presse als auch im Parlament wurden diese Pläne als „Entzivilisierung“ des Verteidigungsministeriums interpretiert: Immer mehr Kompetenzen für die Militärs, immer weniger für die zivile Regierung. Dabei gehört die zivile Kontrolle über die Armee zu den Vorraussetzungen für einen Nato-Beitritt und die Teilnahme an „Partnership for Peace.“ Da stellt sich allerdings gleich noch ein Problem, über das nicht gerne geredet wird: Ein Rauswurf der altkommunistischen Rangoberen aus der polnischen Armee hat praktisch nicht stattgefunden. Nur bei normalen Abgängen, Neueinstellungen und Beförderungen hat sich die Armee für die Vergangenheit der Kandidaten interessiert. Seit 1989 haben 23.000 Soldaten von sich aus den Dienst quittiert, darunter 58 Generale – nach offiziellen Angaben aus Altersgründen oder wegen Gesundheitsproblemen. Neu gekommen ist der Divisionsgeneral Slawomir Slawoj Glodz, der zugleich bischöflicher Militärordinarius ist. Seit die politischen Offiziere aus kommunistischen Zeiten durch „Erziehungsoffiziere“ ersetzt wurden, die die Rekruten in patriotischem Geist ausbilden sollen, bemüht sich auch die katholische Kirche um Einfluß in der Armee. Klaus Bachmann, Warschau