„Wenn sich dann auch die taz abwendet...“

■ Gespräch mit Andreas Döhler vom Berliner Eiszeit-Kino, einem der Mitveranstalter des diesjährigen Fantasy-Filmfests, der sich nicht gern einen „Splatterfan“ nennen läßt

taz: Beim letzten Fantasy-Filmfest hatte man den Eindruck, es tut sich nichts Neues mehr; diesmal ist es anders. Es scheint, als hätte sich jedenfalls das Horrorkino am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, durch Selbstzitate und Bespiegelung...

Andreas Döhler: Die Einschätzungen gehen da auseinander. Manche sagen, die Ironie, das Sich- selbst-auf-die-Schippe-Nehmen, das sei das Ende des Genres, ein Armutszeugnis.

Die anderen freuen sich über den Zuwachs an Intelligenz, den das mit sich bringt. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte: ein Film wie „Nachtwache“ [s.o., die Red.] verbindet eben klassische Elemente von blutigen Fußspuren in der Pathologie etc. mit dänischem Alltagsleben, einer interessanten Männerwette und eben auch Ironie, mit der Hochzeit als letztem Gimmick.

Ein Film wie „Love and a 45“ zitiert sich durch die ganze Filmgeschichte, du denkst: Ah, das kenne ich von Peckinpah, und das macht einfach Spaß, es ist so überdeutlich wie die Melodramen von Douglas Sirk – und führt sich dadurch ad absurdum.

Im Moment finden zwei gegenläufige Entwicklungen statt: einerseits werden Horror-Filmemacher wie Agento, Romero oder Carpenter immer hoffähiger. Andererseits häufen sich gerade in Amerika und England wieder die Attacken, Hollywood würde mit ihnen die Gewalteskalation provozieren. Welche Wirkung wird das auf das Genre haben?

Ich habe nicht den Eindruck, daß das Thema noch so zieht. Ein Film wie „Beyond Badlam“ funktioniert überhaupt nur, weil er noch vor dem Videostart verboten wurde; man fragt sich, wieviel die Produzenten den Zensurbehörden dafür gezahlt haben, daß der Film verboten wurde.

Gibt es da nicht auch eine unausgesprochene Kooperation zwischen der Splattergemeinde und den Zensoren – immerhin lebt doch „Splatting Image“ von dem Zusammenhalt gegen die Unterdrückung.

Inzwischen verlagert sich da aber etwas; die Zensur trifft ja inzwischen nicht nur klassische Horrorfilme, sondern auch Filme wie „Pulp Fiction“, die in Cannes die Goldene Palme gewinnen. Wenn der dann in der taz mit dem Phänomen Rostock in Verbindung gebracht wird, hat das ganz andere Folgen. Womöglich arbeitet das der Tendenz zu, daß Horrorfilm nur noch für den Videomarkt produziert wird; die Kinoauswertung ist eh nur noch marginal.

Deswegen hat es mich ja so erstaunt, daß dieses Jahr Wes Craven seinen Freddy Krueger wieder reanimiert hat. Andererseits sieht man die höhere Arriviertheit des Genres schon an der Besetzung: Carpenter kann jetzt mit Sam Neill oder Jürgen Prochnow arbeiten; Tarrantino produziert einen Film mit July Delpy.

Geht es für dich überhaupt um Gewalt, wenn du einen Splatterfilm siehst? Was spielt sich denn da ab?

Heute nicht mehr viel, weil das Genre sich einfach so totgelaufen hat; aber früher, bei den Klassikern wie „Nightmare on Elm Street“ oder „Texas Chainsaw Massacre“, war ich in so einer Dauerspannung; da geht es doch auch überhaupt nicht um die Blutkübel, die verwendet werden.

Na ja, wenn es dir nur um Suspense geht, könntest du ebensogut beim Thriller bleiben. Was ist der eigentliche Witz am Splatter?

Also ich glaube nicht, daß da irgendwas mit Katharsis abläuft, daß man rauskommt und sich gereinigt fühlt.

Man kommt auch nicht raus und will meucheln. Ein komisches Phänomen ist, daß diese großen Axtschwingereien einen kaltlassen, und daß es das kleine Messer auf der Haut ist, die kleinen Verletzungen, die unendlich tief gehen. Als ich „Texas Chainsaw“ das erste Mal sah, habe ich von Anfang bis Ende keinen Mucks mehr gemacht, das war wie eine Achterbahnfahrt, ich war einfach völlig sprachlos.

Gibt es eine Szene, an der du demonstrieren könntest, wie Splatter für dich funktioniert?

Psycho!