Kontrollen in der Metro

■ Frankreich verschärft Sicherheitsmaßnahmen weiter

Paris (taz) — Jeden Tag zieht Frankreich die Schraube gegen radikale Islamisten oder solche, die dafür gehalten werden, ein bißchen fester an. 24 Personen sind mittlerweile im nordfranzösischen Dörfchen Folembray interniert, darunter zwei Imame. Die ehemalige Kaserne, wo die Häftlinge — allesamt Algerier — einsitzen und wo zeitweilig ein Spruchband mit der Aufschrift „Konzentrationslager Folembray“ aus dem Fenster hing, ist mittlerweile zu einer Art Wallfahrtsort geworden. Ein Gründer der verbotenen algerischen Islamischen Heilsfront (FIS), der 83jährige Scheich Sahraoui, reiste am Wochenende aus Paris dorthin, um vor laufenden Fernsehkameras das Schicksal seiner gefangenen Landsleute zu beklagen. „Ich glaube, daß sie grundlos inhaftiert sind“, sagte er.

Die Internierten gelten sämtlich als Förderer islamistischer Untergrundbewegungen in Frankreich, zum Teil auch als Waffenschmuggler, und sollen in ein Drittland abgeschoben werden, sobald sich eines finden läßt. Innenminister Charles Pasqua hat die Verhaftungen in Interviews wortreich mit dem Risiko terroristischer Anschläge begründet. „Ich glaube nicht, daß es in Frankreich das Risiko einer Anschlagserie gibt, aber man kann es nie ausschließen“, erklärte er dem Figaro und fügte hinzu: „Die Risiken erscheinen mir im Ausland größer, da es einfacher ist, unsere Interessen im Ausland anzugreifen.“

Wie auf Bestellung wurde einen Tag später gemeldet, zwei Algerier seien mit Waffen und Sprengstoff ertappt worden, mit denen ein Anschlag in Spanien habe ausgeführt werden sollen. Tatsächlich stammte der Waffenfund bereits vom 9. Mai, und die Verhafteten werden lediglich verdächtigt, die Auftraggeber zu sein.

Die der FIS nahestehende „Algerische Bruderschaft in Frankreich“ (FAF) mokiert sich bereits öffentlich über manche der Festnahmen und verweist darauf, daß einige der Internierten als französische Staatsbürger überhaupt nicht abgeschoben werden dürfen. Lahcene Baroudi, Leiter des FAF- Buchladens „Sira“, stellte sich freiwillig den Behörden, nachdem einer seiner Mitarbeiter unter anderem wegen „Gesetzesübertretungen im Zusammenhang mit einem terroristischen Vorhaben“ aufgegriffen wurde. Was den Verhafteten im einzelnen vorgeworfen wird, ist oftmals nicht klar. Das verleitet Menschenrechtsorganisationen wie SOS Racisme dazu, von „unbegründeter Internierung“ zu sprechen. Die algerische Guerillaorganisation GIA (Bewaffnete Islamische Gruppe) hat mit Anschlägen in Frankreich gedroht, was wiederum der französischen Regierung bei ihrem harten Durchgreifen zugute kommt. So nahm die Polizei am Wochenende nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Metro-Stationen Personenkontrollen vor.

Die Polizeiaktionen beschränken sich inzwischen nicht nur auf algerische Untergrundaktivisten. Im 19. Pariser Bezirk war die Überraschung letzte Woche groß, als der örtliche Imam Larbi Kechat nach Folembray abgeführt wurde; er gilt überhaupt nicht als Fundamentalist.

Im nordfranzösischen Lille nahm die Polizei den algerischen Journalisten Sayah Taleb fest, der beschuldigt wird, an der Beschaffung falscher Papiere für algerische Guerillakämpfer beteiligt zu sein. Seine Anwälte verweisen darauf, daß Taleb seit 25 Jahren in Frankreich lebt, daß seine Kinder auf eine katholische Schule gehen und daß er politisch bisher nur als Aktivist der „Algerischen Demokratischen Bewegung“ (MDA) des algerischen Linkspolitikers Ahmed Ben Bella aufgefallen sei. Zuletzt habe er umfangreiche journalistische Recherchen über die Islamisten in Frankreich angestellt. „Wie kann man über den Islamismus in Frankreich schreiben, ohne Islamisten zu treffen?“ fragte Rechtsanwalt Dupont-Moretti und erklärte, die Verhaftung sei „eine Drohung an alle algerischen Intellektuellen“.

Aufsehen erregt hat auch die Ausweisung des türkischen Imams der ostfranzösischen Stadt Sochaux, der als „radikaler Sunnit“ bezeichnet wird, nach Istanbul — wo er sofort in Polizeigewahrsam genommen wurde. Dem 30jährigen Imam Kasim Unal wurde in Frankreich vorgeworfen, zu Gewaltaktionen gegen die türkische Ministerpräsidentin Çiller aufgerufen zu haben. Dominic Johnson