Die USA und Nordkorea begraben das Kriegsbeil

■ Erste Einigung über Atomprogramm in Genf erzielt / Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen / Noch zahlreiche Fragen offen

Genf (taz) – Nach der am Wochenende erzielten Einigung zwischen den USA und Nordkorea auf „Elemente für eine endgültige Beilegung“ ihres Streits über Pjöngjangs Atomprogramm sollen die Verhandlungen nun am 23. September in Genf fortgesetzt werden. China und Südkorea begrüßten die Einigung. Vor einem umfassenden Abkommen ständen jedoch noch „sehr schwierige Verhandlungen“, betonten übereinstimmend US-Chefunterhändler Robert Gallucci und die Regierung in Seoul, die Pjöngjang heute umfassende Hilfen für die Umstellung des nordkoreanischen Atomprogramms anbieten will.

Nach einwöchigen Verhandlungen hatten Gallucci und Nordkoreas stellvertretender Außenminister Kang Sok Ju am frühen Samstagmorgen in Genf eine „vereinbarte Stellungnahme“ veröffentlicht. Auf eine „Gemeinsame Erklärung“ oder „Vereinbarung“, die nach den Regeln des Völkerrechts einen verbindlicheren Charakter oder gar vertraglichen Status gehabt hätte, wurde nach Angaben von Gallucci ausdrücklich verzichtet.

Der Stellungnahme zufolge ist Nordkorea bereit, im Rahmen einer „endgültigen Beilegung“ des Streits sein Atomprogramm auf Leichtwasserreaktoren umzustellen, aus denen sich weit weniger waffenfähiges Plutonium gewinnen läßt, als aus den bisherigen Graphitreaktoren des Landes. Im Gegenzug wollen die USA dafür sorgen, daß Nordkorea zwei Leichtwasserreaktoren mit einer Kapazität von insgesamt 2.000 Megawatt erhält sowie preiswerte Energielieferungen während der auf sechs Jahre veranschlagten Umbauphase seines Atomprogramms. Sobald hierfür konkrete Zusagen aus Washington vorliegen, will Pjöngjang die laufende Konstruktion neuer Grahpitreaktoren beenden sowie ein radiochemisches Labor schließen, das nach US-Darstellung bislang zur Herstellung von Atomwaffen genutzt wurde. Die Durchführung dieser Maßnahmen soll durch Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien verifiziert werden. – Beide Länder erklären darüber hinaus ihre Bereitschaft zur Einrichtung diplomatischer Vertretungen in beiden Hauptstädten. Angestrebt wird die „volle Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen“. Nordkorea bekundet seine Absicht, Mitglied des Atomwaffensperrvertrages zu bleiben und die darin vorgesehenen Inspektionen auf seinem Territorium zuzulassen. Schließlich will Washington Pjöngjang „Sicherheitsgarantien“ anbieten gegen „die Drohung oder den Einsatz“ atomarer Waffen der USA.

Zu den Fragen, die laut „vereinbarter Stellungnahme“ noch geklärt werden müssen, ist die sichere Zwischenlagerung der 8.000 Brennstäbe, die Nordkorea im Mai aus den Graphitreaktoren entnommen hatte und die seitdem korrosionsgefährdet in Wasserbecken lagern. Ein von den USA letzte Woche in Genf angebotenes chemisches Verfahren, mit dem der Korrosionsprozeß um sechs Monate verzögert werden soll, hat Nordkorea bislang nicht akzeptiert. Ungeklärt ist auch, woher die Leichtwasserreaktoren für Nordkorea kommen sollen. Noch völlig offen ist die Finanzierung des Umstellungsprogramms und der Energielieferungen für die Übergangsphase. Andreas Zumach