Tragen Hängebauchschweine Bart?

■ In FKK-Pose will der Berliner Jugendsenator Thomas Krüger die PDS-Kandidatin Christa Luft im Bundestags-Wahlkampf überholen

Berlin (taz) – Mensch, da hat sich der bürgerbewegte Jugendsenator Berlins gerade an Schlips und Kragen gewöhnt, da legt er gleich alles ab. Völlig unbekleidet ringt Thomas Krüger um wichtige Stimmen für seine Bundestagskandidatur.

Die Männer, die etwas von Aktfotografie verstehen, sind sich in ihrer Einschätzung nicht ganz einig. Andreas Maydorn vom Schwulenmagazin Magnus findet das Foto künstlerisch schön. „Es ist streng hetero. Es ist ehrlich, natürlich, aber überhaupt nicht erotisch und als Onaniervorlage völlig ungeeignet.“ Sein Coming-out als Hetero hatte Krüger schon vor zwei Jahren bei einem Termin mit den „Schwusos“ in Berlin. Maydorn hat auch noch einen Tip für den Wahlkämpfer: „Wenn er seine Schamhaare auch so gepflegt trägt wie neuerdings seinen Bart, dann kann er die Hände auch wegnehmen.“

Stefan Adler, selbsternannter Schmuddel-Layouter vom Magazin Männer Aktuell, ist weniger begeistert: „So etwas sollte man besser übersehen“, und fragt sich: „Tragen Hängebauchschweine Bart?“ Beide Magazine werden Krüger nicht in die Model- Kartei aufnehmen.

Sollte sich das Ergebnis der Europawahl in Krügers Wahlkreis wiederholen, hätte seine Widersacherin Christa Luft (PDS) gut lachen. Krüger stünde immer noch nackt da. 44 Prozent der Wählerstimmen nämlich konnte die PDS im Bezirk Friedrichshain/Lichtenberg landen, wo die Stasi-Zentrale zu Hause war. Mehr als SPD und CDU zusammen. Da mußte wohl ein knackiger Einfall her.

Schon Zielgruppen-Kommunikator Dieter Moor vom Ex-Vox- Magazin „Canale Grande“ tat es, als ihm nichts mehr einfiel: Er zog sich aus und landete wie jetzt Thomas Krüger auf der Titelseite von Bild. Krügers Wahlkampfberater Andreas Geisel bestätigte gestern, daß die Idee vom Nackedei selbst stamme. „Originell“ solle es sein und provozieren. „Auf die Inhalte kommt es an“, und nicht auf die Hüllen, so Geisel.

Das Wahlkampfteam von Christa Luft, der früheren Wirtschaftsministerin der DDR, plant nach der buchstäblichen Krüger-Enthüllung keine Änderung der Strategie. Keinesfalls will sie sich so luftig dem Wahlvolk präsentieren. Ihr geplanter Slogan „Das vereinte Deutschland muß besser werden, als es seine beiden Teile waren“ würde auch kaum unter ein Nacktfoto der Wahlkämpferin passen. Ihr Berater Klaus Gebauer nannte Krügers Offensive „mutig – der Mut der Verzweiflung“. Ein großes Risiko geht Krüger ohnehin nicht ein. Sollte er die Wahl gegen die PDS verlieren, kommt er über die SPD-Landesliste in den Bundestag. Sven Christian