■ Cash & Crash
: Mailänder Wechselbäder

Rom (taz) – Nach all den Skandalen um den italienischen Regierungschef Berlusconi kommen diesem nun Gerüchte über Spekulationsgeschäfte von Mitkoalitionär Umberto Bossi gerade recht. Der Chef der oberitalienischen Ligen soll seine täglichen Wechselbäder für den Regierungschef nämlich keineswegs aus politischer Überzeugung durchführen, sondern bloß, um an der Börse satte Gewinne einzustreichen.

Bossi-Gegner registrieren genau die Abfolge der Zuckerbrot-und-Peitsche-Aktionen des scheinbar unberechenbaren Schreihalses. Zwei, drei Tage läßt er der Regierung Zeit zur Erholung, betont Bündnistreue – um danach wieder so massiv die Selbständigkeit der Ligen zu betonen, daß seinen Regierungspartnern ein ums andere Mal die Nerven reißen. Berlusconi ließ sich daraufhin in einer Regierungserklärung zu einer scharfen Attacke gegen seinen Koalitionspartner hinreißen. Die Aktien stürzten ab, der Tausendlireschein verfiel bis unter die 1-DM-Grenze. Da trat Bossi vors Mikrophon und erklärte, es werde keine Regierungskrise geben. Prompt zog der Mibtel-Index (Anzeiger für elektronisch gehandelte Wertpapiere) um drei Punkte an. Drei Tage danach verlangte Bossi erneut ein Antitrustgesetz und scharfe Auflagen für Berlusconis Fernsehsender. Wieder sackten die Aktien in den Keller, bis der Mailänder fröhlich alle Gerüchte über eine Krise für „Quatsch“ erklärte. Seither analysieren Börsenkenner die Käufe und Verkäufe Bossi-naher Makler, sind Dutzende von Detektiven ausgeschwärmt. Bossi schlägt zurück. Ausgestattet mit von hochkarätigen Wissenschaftlern erarbeiteten Analysen, wirft er Berlusconi nicht mehr nur „Dilettantismus vor, sondern blanke Unfähigkeit, eine Volkswirtschaft auch nur annähernd programmatisch zu lenken“. Da hat Berlusconi in seiner letzten Regierungserklärung vor der Urlaubszeit noch behauptet, die Wirtschaft sei wieder angelaufen, die Industrie und die internationale Ökonomen-Gemeinschaft hätten Vertrauen gefaßt. Die Überprüfung Bossischer Spekulation erzwingt nun jedoch nicht nur eine Darlegung aller wirtschaftlichen Grundlagen für Börsenbewegungen, sondern auch Stellungnahmen führender Unternehmer und Anlageexperten – und die fallen durchweg negativ aus.

Nachdem die Lira neue Rekordtiefen erreicht hat, ist Berlusconi schließlich aus dem Urlaub nach Rom zurückgeeilt. „Was wohl das Dümmste war, was er tun konnte“, bemerkt ein Börsianer, „denn jetzt glauben wirklich alle an eine drohende Krise.“ Es blieb ihm allerdings wenig anderes übrig – am vergangenen Donnerstag hat die Nationalbank den Diskontsatz um ein halbes Prozent auf 7,5 Prozent hochgesetzt, um die Flucht aus der Lira zu stoppen. Berlusconi muß nun den Unternehmern erklären, wie der Aufschwung trotz der Geldverteuerung doch noch kommen soll. Werner Raith