Lusttempel im Pferdestall

Im Projektstadium: Ausstellung mit internationaler Kunst von Prostituierten  ■ Von Daniela Reinsch

„Prostituierte sehen mehr als andere“, sagt Gala Breton, und das meint sie ein bißchen in metaphysischer und viel in handwerklicher Hinsicht: Huren müssen in wenigen Minuten mit allen Sinnen erkennen, wen sie vor sich haben. „Schon fast gespenstisch“ kam ihr oft die Mischung aus Intuition und Erfahrung vor, mit der sie und ihre Kolleginnen die Kunden erst taxieren und dann bedienen konnten. Auf den Job hat sie zwar seit einigen Jahren keine Lust mehr, aber von der zehnjährigen Laufbahn im Milieu ist ihr die feste Überzeugung geblieben, daß Sexarbeiterinnen eine ganz spezielle kreative Energie besitzen – und dazu Schamlosigkeit, im besten Sinn.

Wieviel Kunst von Prostituierten es gibt, war der 31jährigen dennoch nicht annähernd klar, als sie im Frühjahr begann, eine Ausstellung und Veranstaltungen zu organisieren.

Was Gala Breton mit ihren Anfragen bei Kolleginnen im In- und Ausland ausgelöst hat, ist ohne Übertreibung als Lawine zu bezeichnen. Von St. Petersburg bis Canberra hat sie Zusagen von Schriftstellerinnen, Malerinnen, Bildhauerinnen, Musikerinnen, von Sexarbeiterinnen, die tanzen, Filme machen, zeichnen, Theater spielen und fotografieren. Domenica und Annie Sprinkle wollen dabeisein, die Theologin Heide- Marie Emmermann, die früher als Domina arbeitete, oder Liliane von Rönn, eine Domina, die heute als Paarberaterin ihr Geld verdient, Dojen, ein Berliner Stricher, der von Mann zu Mann tantrischen Sex anbietet, die Schweizer Schriftstellerin und Bordellbesitzerin Tina von S., der Callboy, Schriftsteller und Schauspieler Knut Koch, die Tänzerin und Stripperin Veronika Leluschko und viele, viele andere mehr. Daß sie selbst zehn Jahre in dem Beruf gearbeitet hat, hat ihr viele Türen geöffnet, und daß inzwischen viele Künstlerinnen mitmachen wollen, die zwar selbst nicht angeschafft haben, aber vom Thema fasziniert sind, hat das Angebot noch riesiger gemacht.

Längst nicht alles wird Platz finden auf der 250 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche im alten Pferdestall der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg, die – wenn alles gutgeht und genügend Gelder zusammengekommen sind – im Oktober zu einem „Tempel der Lüste“ umgestaltet wird. Aus den schroffen Brauereihallen soll ein Paradiesgarten voller Farben, Düfte und Klänge werden, in dessen Zentrum „als Ort der schönen, heilsamen und entspannenden Begegnung“ ein überdimensionales Bett stehen wird. Einen „aktiven Playground zum Amüsieren, Riechen, Hören, Sehen“ stellt sie sich vor, „je bunter, desto besser“. Für den Katalog in deutsch und englisch hat sie den Jovis-Verlag gewonnen, Matthias Frings hat ein Special von „Liebe Sünde“ zugesagt, und die Kinos Arsenal und Sputnik werden Filme zum Thema zeigen.

Was Gala Breton noch sucht, ist eine/n KonditorIn, die/der erotisches Backwerk herstellt, „alles nicht so ernst pornographisch“, sondern lustige, schöne, süße und herzhafte Naschereien. Vor allem aber braucht sie Sponsoren. Bei der Hurenbewegung, in der sie seit Jahren mitarbeitet, ist nichts zu holen, und das will sie auch nicht. Ihr schweben als Sponsoren „Idealisten und Liebhaber vor, auch solche mit politischem Biß“.

Das Projekt, dem sie den Namen „Tempel der Lüste – Säue und Perlen. Internationale Kunst von Prostituierten“ gegeben hat, bedeutet für sie eine Art Abschluß ihrer Geschichte im Milieu, keine Hommage an die Prostitution, aber an die Prostituierten. Sie will mit der Schau aus Kreativität und Sinnlichkeit „die Optik verändern“, weg vom „ewigen Bild der Schmuddelweiber“, politisch ebenso wie ästhetisch. Daß damit voraussichtlich viele Voyeure angelockt werden, ist ihr nur recht, „die werden satt bedient“. Hoffentlich, denn noch steht die Finanzierung auf tönernen Füßen. Gala Breton nimmt dankbar alle Hinweise entgegen, wie und welche Sponsoren für ihr Projekt anzusprechen sind: Gala Breton, Tel.: 305 99 76, Fax: 441 92 72.