piwik no script img

Atomschmuggel beunruhigt Clinton

■ Bundesregierung soll „beweisbare Hinweise“ auf Abnehmerländer haben

Washington/Bonn (dpa/AFP) – Über Atomschmuggel will nun auch US-Präsident Bill Clinton mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin reden. Clinton werde das Thema beim Gipfeltreffen mit Jelzin am 27. September auf die Tagesordnung setzen, kündigte das US-Außenministerium in Washington an. US-Außenminister Warren Christopher wollte dieses „äußerst beunruhigende Problem“ bereits gestern und heute mit seinen Nato-Kollegen in Brüssel erörtern. US-Außenamtssprecher Michael McCurry betonte, die Vereinigten Staaten wollten bei Maßnahmen gegen den Atomschmuggel eng mit Rußland zusammenarbeiten. Christopher wolle am Rande der Trauerfeier für den verstorbenen Nato-Generalsekretär Manfred Wörner mit den europäischen Verbündeten darüber sprechen, wie die beim G-7-Gipfel in Neapel vereinbarte Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Atomschmuggels verbessert werden könne.

Die deutschen Ermittler haben nach den Worten des CDU-Politikers Johannes Gerster „beweisbare Hinweise“ dafür, daß die Nachfrage nach geschmuggeltem Plutonium von staatlicher Seite komme. Gerster sagte am Mittwoch abend in der ARD, es handle sich um Staaten, die im Verdacht stünden, Atombomben bauen zu wollen. In Bonn wurde „aus zuverlässiger Quelle bestätigt“, daß der mutmaßliche Atomschmuggler Adolf Jäckle, in dessen Haus im Mai sechs Gramm waffentaugliches Plutonium 239 sichergestellt wurden, im Auftrag einer ausländischen Regierung gehandelt haben soll. Er soll über eine Vollmacht von 100 Millionen Dollar verfügt haben, um den Stoff für die Bombe zu kaufen. In welches Land das Plutonium geschmuggelt werden sollte, wurde nicht mitgeteilt. Es gebe aber einen hinreichenden Verdacht, hieß es. Möglicherweise, so war nach einer Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission am Mittwoch zu hören, waren Nordkorea oder der Irak der Zielort.

In Berlin wiederum hat die Justiz am Mittwoch Wohn- und Geschäftsräume wegen des Verdachts auf Atomschmuggel durchsuchen lassen. Justizsprecher Frank Thiel teilte gestern mit, die Anklagebehörde ermittle gegen einen Berliner, zwei Polen und einen Pakistaner. Sie würden verdächtigt, Plutonium nach Pakistan gebracht oder dieses versucht zu haben. Verhaftet wurden die vier Männer nicht.

Die pakistanische Botschaft in Bonn bestritt jegliche Verwicklung in einen Atomschmuggel über Deutschland und betonte, daß Pakistans Nuklearprogramm so weit gediehen sei, daß man auf derartige Lieferungen nicht angewiesen sei. Ohnehin sei das Programm aus politischen Gründen gestoppt worden.

Der russische Geheimdienst FSK versuchte gestern, den Schwarzen Peter an Deutschland zurückzugeben und warf den deutschen Behörden mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Trotz mehrfacher Anfragen habe das russische Ministerium für Atomenergie bisher keine detaillierten Informationen über das in der vergangenen Woche in München beschlagnahmte Plutonium bekommen, sagte ein FSK- Sprecher. Demgegenüber betonte Boris Jelzin in einem Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl seine grundsätzliche Bereitschaft zur Aufklärung der Vorwürfe. Dem Vernehmen nach hat Jelzin auch eingestanden, daß das in Deutschland aufgetauchte Plutonium aus Rußland stamme. Voraussichtlich am Samstag wird der Bonner Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer (CDU) wegen des Atomschmuggels nach Moskau reisen. Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen