Verständigungsversuch

■ HCA organisiert Frauentreffen an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze

Berlin (taz) – „Alle offiziellen Friedensverhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan sind bisher gescheitert, wir versuchen Frieden von unten zu schaffen.“ So lautete der Leitfaden einer Veranstaltung, zu der sich am 18. August auf Einladung der Helsinki-Citizens-Assembly (HCA) zwanzig Frauen aus Armenien, Aserbaidschan und Nagornij Karabach in der armenischen Grenzstadt Idschewan trafen.

Dabei „übergaben“ die Armenierinnen der aserbaidschanischen Delegation eine Aserbaidschanerin mit ihren zwei Kindern. Die Frau hatte bei einem armenischen Angriff auf eine aserbaidschanische Stadt nicht mehr fliehen können und war anschließend als „Geisel“ nach Nagornij Karabach gebracht worden. Der Krieg um dieses von Armeniern bewohnte, jedoch in Aserbaidschan liegende Gebiet dauert inzwischen sechs Jahre.

Doch trotz der herzlichen Atmosphäre der Treffens kamen sich die Frauen inhaltlich kaum näher. Weder die Leiterin der aserbaidschanischen HCA, Arsu Abdullajewa, noch die Leiterin der armenischen Sektion, Anait Bayandur, bezeichnen sich als Dissidentinnen. Beide stehen weitgehend hinter ihrer jeweiligen Regierung. Während Anait Bayandur „darauf besteht“, daß Frauen aus drei Staaten, also auch „aus der Republik Nagornij Karabach“, dabei waren, wehrt sich Abdullajewa dagegen, das „armenische Marionettenregime von Karabach“ als eigenen Staat anzuerkennen.

Auch zur Geiselübergabe gibt es unterschiedliche Versionen. Während die Aserbaidschanerin und ihre Kinder laut Bayandur in Karabach „freie Menschen“ gewesen seien, die jederzeit hätten ausreisen können, ist diese Äußerung für Abdullajewa blanker Unsinn. „Keine Aserbaidschanerin bleibt freiwillig in Karabach.“

Ein von den Armenierinnen angebotener Austausch von jeweils zehn Kriegsgefangenen war nicht zustande gekommen, weil die aserbaidschanische Seite sich nicht auf einen 1:1-Tausch einlassen wollte. Abdullajewa: „Armenische Truppen haben 25 Prozent unseres Territoriums erobert. Armenien hat über 900 Gefangene und Geiseln, darunter fast 100 Kinder. In Aserbaidschan gibt es nicht einmal 30 Gefangene. Wie sollen wir uns da auf 1:1 einlassen!“

Vielen Teilnehmerinnen erschien denn auch der bisherige Minimalkonsens der kaukasischen Friedensbewegung, möglichst viele Begegnungen und Kontakte „von unten“ zu organisieren, ohne konkrete politische Forderungen zu stellen, als zu unpolitisch und naiv. Dennoch wollen sie weitermachen. Geplant ist nun die Einrichtung eines regionalen HCA- Büros in der georgischen Hauptstadt Tblissi. Bernhard Clasen