Ungefragte Selbstbedienung

■ Bremer Fraktionen wollen weiter ungehindert ins Staatssäckel greifen

Bei ihrer Sitzung Ende Juni hat sich die Bürgerschaft ein neues Abgeordnetengesetz gegeben. Darin wird unter anderem geregelt, wie die Fraktionen an ihre Zuschüsse kommen – mittlerweile über acht Millionen Mark im Jahr. Auch über die Diätenregelung haben die Abgeordneten diskutiert, doch wie es mit den Fraktionsfinanzen weitergehen sollte, darüber hat keiner ein Wort verloren. Kein Wunder: Das war in ganz großer Koalition im Vorfeld der Sitzung so abgesprochen worden.

Ein beredtes Schweigen, denn wie fast alle Länderparlamente haben sich auch die Bremer Fraktionen wieder für einen sehr kurzen Weg zu den öffentlichen Geldtöpfen entschieden. Um die Zuschüsse an die Fraktionen zu erhöhen genügt auch nach der neuen Regelung ein einfacher Beschluß des Haushaltsausschusses hinter verschlossenen Türen – dazu braucht es kein eigenes Gesetz, keine öffentliche Diskussion im Parlament. Ein Umstand, der die Rechnungshöfe regelmäßig auf die Palme bringt, auch den bremischen und seinen Chef Hartwin Meyer-Arndt. Aber vorsichtshalber hatten ihn die Fraktionen gar nicht erst an der Formulierung des neuen Gesetzes beteiligt. „Wir sind da richtig rausgehalten worden.“

Nun hat das Verwaltungsgericht in Schleswig Bewegung in die Angelegenheit gebracht: Die RichterInnen haben dem schleswig-holsteinischen Landtag seinen Umgang mit den Fraktionsmitteln um die Ohren gehauen, und der ist genau derselbe wie in Bremen (vgl.taz v. 23.8.). Vor 1968 hatte es in Schleswig-Holstein ein eigenes Gesetz über die Fraktionsfinanzen gegeben. Vor einer Erhöhung mußte zuerst das Gesetz geändert werden: erste Lesung, zweite Lesung. Nach 1968 wurde die Fraktionsfinanzierung nur noch über den Haushalt geregelt. „Es ist anzunehmen, daß dies in einem ursächlichen Zusammenhang mit der enormen Steigerung der Zahlungen steht.“ Eine saftige Ohrfeige für Selbstbedienungsmentalität. Fazit des Gerichts: „Es ist zweifelhaft, ob die Verfahrensweise bei der Gewährung der Fraktionszuschüsse (...) mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist.“ Meyer-Arndt fühlt sich nun bestätigt und hat das Urteil an die Bürgerschaft weitergeleitet. Wenn die folgenden Instanzen der Argumentation folgen, „gehen wir nochmal aus der Reserve“.

Ob er allerdings den großen politischen Konsens in der Bürgerschaft knacken kann, ist ziemlich fraglich. Die Grünen hatten die ganzen Beratungen über versucht, eine Orientierung an Niedersachsen zu erreichen, dem einzigen Land, das sich Transparenz leistet. Fraktionssprecher Dieter Mützelburg: „Da waren CDU und SPD vehement dagegen. Wir sind in der letzten Sitzung richtig niedergestimmt worden.“ Deren Argument: Die Diäten werden schon per Gesetz geregelt. Wenn man jetzt auch noch die Fraktionsfinanzen in die öffentliche Diskussion zerrt, dann hat man bei jeder Erhöhung eine Debatte am Hals. Mützelburg: „Wir wollen Transparenz, ohne daß man sich durch tausend Seiten Haushalt quälen muß. Ich bin über das Urteil sehr glücklich.“

Transparenz – öffentlich hat dagegen niemand etwas. Karl-Hermann Niestädt, Fraktionsgeschäftsführer der SPD: „Der Haushaltsplan reicht völlig aus. Jedermann kann das nachprüfen.“ Wolfram Neubrander, Geschäftsführer in der liberalen Fraktion: „Ich weiß nicht, wie man das transparenter machen könnte als mit dem Haushalt.“

Als die Bürgerschaft im Juni entscheiden sollte, stimmten auch die Grünen dafür. Mützelburg: „Um das komplette Paket mit der neuen Diätenregelung nicht zu gefährden.“ Und als sich der FDP-Abgeordnete Axel Adamietz ein wenig länger bei dem Tagesordnungspunkt aufhielt als vereinbart, da mußte er sich einen Rüffel vom CDU-Abgeordneten Teiser einfangen: „Nicht jede Rede, die vorbereitet worden ist, muß auch unbedingt gehalten werden.“ Es sei doch abgesprochen gewesen, daß das ohne Debatte über die Bühne geht.

J.G.