Hilflose Schuhplattler

Der SC Freiburg zog den Münchner Bayern beim 5:1 noch etwas mehr als die Lederhosen aus  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Illegale Wettgemeinschaften gibt es in Freiburg wie kranke Bäume im Schwarzwald – weit mehr als man beim ersten Hinsehen denkt. Die seit dem Aufstieg des Sport-Clubs ins Kicker-Oberhaus grassierenden Fußballfieber- Viren erweisen sich als außerordentlich resistent, und damit auch eines der zahlreichen Begleitsymptome: ob in Szenekneipen oder Steuerbüros, ob im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz – allüberall kreisen die Tippzettel, bevor das Lieblingskind der Stadt zur nächsten Runde im Survival-Abenteuer erste Liga antritt.

Jetzt, steht zu vermuten, ließe sich aus der Summe der angelaufenen Jackpots ein Transfer in durchschnittlichen Sport-Club-Dimensionen tätigen. Denn Überflieger läßt ein angestammter badischer Pessimismus, der seinen materiellen Ausdruck im Hang zur Sparsamkeit findet, auch im Bereich der Fußballwetten nicht zu. Und was sich am Dienstag abend im Dreisamstadion ereignete, schien vorab in etwa so wahrscheinlich wie, na sagen wir, daß Berti Vogts nächste Woche verlauten läßt: „Ich plane künftig mit Lothar Matthäus als fliegendem Torhüter.“

Während die schwarzwälder Kombinierer mit hinreißender Lust am Spiel rasante TempiWechsel boten und ihre Furiosi mit präzise gesetzten Paukenschlägen krönten, gab es vom hochkarätigen Lederhosen-Ensemble eher folkloristische Variationen des Schuhplattlers. Allein Dirigent Trapattoni bewies auch nach den überbordenden Ereignissen Spielwitz. „Ein 5:1 ist einfach zu kommentieren“, gab er schelmisch zu Protokoll, und noch sybillinischer die Antwort auf die Frage, ob das von ihm angeordnete System die Bayern-Spieler überfordere: „Haben Sie letztes Jahr die 1:3-Niederlage der Bayern in Freiburg gesehen – es gibt kein System.“

Womit der von Freiburgs Fans mit „Ciao Giovanni“ verabschiedete Übungsleiter wohl andeuten wollte, daß der tiefere Grund für die bescheidenen bajuwarischen Darbietungen weniger taktischer Natur war. Auch Freiburgs einzigem echtem Stürmer Uwe Spies war aufgefallen, daß sich die Bayern „nicht mit letzter Konsequenz“ gegen das Debakel gestemmt hatten: „Die haben sich nach dem Rückstand nicht untereinander angemacht, aber auch nicht gegenseitig aufgemuntert“, wunderte sich der Kapitän der Südbadener.

„Wir müssen uns an der eigenen Nase fassen“, deutete denn auch der per kaiserlichem Dekret zum künftigen Bundes-Lothar geadelte Bayern- und Weiter-National-Kicker Matthäus an, daß dieser Tage in München weniger über taktische Winkelzüge als vielmehr über die nasepopelnde Berufsauffassung einiger Kollegen geredet werden muß. Freiburgs Coach Finke, nach unerbaulichem Saisonauftakt sichtlich erleichtert („Wir waren schon wieder von Fachleuten umzingelt“), mochte erst einmal „gar nicht viel sagen“. Und ganz ohne Häme sagte er es dann doch: „Es sind solche Siege, die immer wieder zeigen, warum es sich lohnt, hier in Freiburg zu arbeiten.“

Mannschaftskapitän Spies, im Kabinengang von der aufgeregten Reporterschar umschwärmt, illustrierte derweil noch einmal Freiburgs an diesem Abend eindrücklich demonstrierte Stärke, den spielwitzigen Konter: „Herr Spies, wie werden Sie jetzt am Freitag in Dresden spielen – auf Sieg oder auf Unentschieden?“ – „Richtig: auf Sieg oder Unentschieden.“

Bayern München: Kahn - Matthäus - Helmer, Kreuzer - Frey, Schupp (62. Sternkopf), Scholl, Hamann, Nerlinger (20. Ziege) - Papin, Sutter

Zuschauer: 18.000; Tore: 1:0 Spanring (11.), 2:0 Kohl (17.), 3:0 Cardoso (18.), 3:1 Ziege (33.), 4:1 Cardoso (59./Foulelfmeter), 5:1 Heinrich (68.); Gelb/Rote Karte: Papin (77.)

SC Freiburg: Schmadtke - Heidenreich - Spanring, Neitzel (78. Müller) - Braun, Zeyer, Todt, Cardoso, Heinrich - Kohl, Spies (57. Seretis)