SPD will mit in die Sackgasse fahren

Am nächsten Mittwoch steht der Transrapid auf der Tagesordnung im Vermittlungsausschuß / SPD stimmt vermutlich zu, weil sie den Vorwurf der Technologiefeindlichkeit fürchtet  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Verkehrsminister Matthias Wissmann ist kein Mann der Differenzierungen. Sein Urteil zum geplanten Transrapid: „Dafür spricht alles – nichts spricht dagegen.“ Es könne nicht angehen, daß schon wieder eine hierzulande entwickelte Technik „an den Bedenkenträgern der Republik scheitert“. Am nächsten Mittwoch hat die SPD die Chance zu beweisen, daß sie solche Suggestionen nicht mitmacht. Dann nämlich steht die Magnetschwebebahn auf der Tagesordnung vom Vermittlungsausschuß. Doch die Gruppe der Sozialdemokraten, die Angst vor dem Vorwurf der Technologiefeindlichkeit hat, ist groß.

Schon bei der Abstimmung im Bundesrat hatte zunächst alles danach ausgesehen, daß die Stelzenbahn mit Segen der Regierungschefs von Hamburg, Rheinland- Pfalz und Baden-Württemberg starten könne. Nur die christliberalen Vertreter aus Mecklenburg- Vorpommern stimmten versehentlich gegen das Milliardenprojekt, und Berlin zog im letzten Moment sein Ja zurück. So wurde der Transrapid schließlich in den Vermittlungsausschuß überwiesen – freilich ohne einen konkreten Antrag, zwischen welchen Positionen überhaupt vermittelt werden soll.

SPD will alte Anträge recyceln

Eher aus der Not heraus will die SPD deshalb jetzt einige Änderungsanträge aus dem Bundestag recyclen, mit denen die Fraktion das 5,6-Milliarden-Projekt kurz vor der Sommerpause abgelehnt hatte. Entscheidend wird sein, ob die Genossen bei ihrer Forderung nach einer Bedarfsfeststellung standhaft bleiben. Denn ernsthaft bezweifelt niemand, daß es aus verkehrspolitischer Sicht keinen Bedarf für die 285 Kilometer lange Magnetbahn zwischen Hamburg und Berlin gibt.

Nirgendwo sonst in Europa gibt es Pläne für Magnetschwebebahnen – und das aus gutem Grund: Die Rad-Schiene-Technik ist inzwischen soweit gediehen, daß 500 Stundenkilometer erreichbar sind. Das Geschwindigkeitsargument, mit dem Ende der 60er Jahre die Entwicklung des Transrapid begründet wurde, stammt noch aus einer Zeit, als die Ingenieure davon ausgingen, daß auf Gleisen nicht viel mehr als 200 Stundenkilometer drin wären.

Aber den Sozialdemokraten erscheint es offenbar doch als opportun, nicht grundsätzlich gegen die Technik zu stimmen, in die immerhin schon 1,8 Milliarden Mark Forschungsgelder aus dem Staatssäckel geflossen sind. Ein Kompromißpapier der SPD-Bundestagsarbeitsgruppen Verkehr, Forschung und Technologie vom März bezeichnet den Transrapid aus industriepolitischen Gründen als sinnvoll. Die Kosten für die Strecke Berlin–Hamburg aber seien zu hoch. Eine 50 Kilometer lange Magnetbahn täte es auch.

Die Referenzstrecke Berlin- Hamburg könnte sich als noch weitaus teurer für die Steuerzahler erweisen als die 5,6 Milliarden Mark, die die Bundesregierung zunächst für den Fahrweg ausgeben will. Die Planungsgesellschaft hat nämlich lediglich den Idealfall berechnet, daß 14,5 Millionen Leute im Jahr in den Transrapid einsteigen. Haufenweise Fahrgäste, die aus dem Ruhrpott über Hamburg nach Berlin fahren und Millionen zusätzlicher Berlin- und Hamburgbesucher wären vonnöten.

Aus dem Ruhrpott über Hamburg nach Berlin

„Beim TGV haben sich die Fahrgastzahlen innerhalb von zehn Jahren verdreifacht, nicht aber verzehnfacht, wie hier angenommen“, merken die Genossen an. Wenn aber weniger Passagiere mit der Stelzenbahn fahren, muß der Bund für das Geldloch aufkommen.

Hans-Ulrich Klose, Chef der SPD-Bundestagsfraktion, versucht dennoch, seine Parteifreunde auf Pro-Transrapidkurs einzuschwören: „Die SPD kann sich ein Nein im Wahljahr nicht leisten: Sozialdemokratie würde mit Technikfeindlichkeit gleichgesetzt.“ Auch bei den Sozis ist der Glaube weit verbreitet, daß es auf dem Weltmarkt große Nachfrage nach der Magnetbahn gibt. Selbst markwirtschaftlich orientierte Verkehrswissenschaftler wie der Münsteraner Professor Hans-Jürgen Ewers bezweifeln das: Obwohl das Transrapid-Konsortium ein brennendes Interesse daran haben müßte, potentielle Abnehmer zu benennen, ist dies noch nicht geschehen. Statt dessen sticht der französische Hochgeschwindigkeitszug TGV den später entwickelten deutschen ICE bei einer Ausschreibung nach der nächsten aus: Die westlichen Nachbarn investierten in den letzten Jahren ihre Forschungsmilliarden in die Rad-Schiene-Technik, während die Deutschen auf die Magnetbahn setzten. Die SPD entscheidet, ob die Fahrt in die Sackgasse fortgesetzt wird.