„Dies war ein Durchläufer“

■ Bis 1991 gab es das Tele-Lotto „5 aus 45“ des Fernsehens der DDR / Ein Nachruf auf rotierende kleine Klapptäfelchen

Berlin (taz) – Nostalgische Freuden-Tränchen fließen, wenn das Kneipengespräch in Ostberlin auf Tele-Lotto gelenkt wird. Jeden Sonntag um 19 Uhr direkt nach dem Sandmännchen gab es im DDR-Fernsehen die Ziehung der Glückszahlen 5 aus 45.

In der Mitte eines mehr als spartanisch ausgestatteten Studios stand das Ziehungsgerät. Aus einem Loch auf dem Gipfel der konisch zusammenlaufenden Rutschbahn quoll der Spielball, und Millionen fieberten. Die Anatomie des Ziehungsautomaten erinnerte ein wenig an die Form eines Scheißhaufens. Um diese Rutschbahn rotierten die 45 Klapptäfelchen mit je einer Zahl darauf. Unten angekommen, riß die Kugel eines der Täfelchen um – oder auch nicht. Denn die Zwischenräume der Tafeln waren so konzipiert, daß nicht zwei gleichzeitig kippten. Da kam es auch mal vor, daß keins fiel oder daß die Kugel über eins rollte, was vorher schon gekippt war. „Dies war ein Durchläufer“, sagte dann einer der prominentesten Bürger der DDR: der amtlich beglaubigte Ziehungsleiter Herr Rohr.

Kurz nach der Zusatzzahl wurden dann auch die Gewinner der vorausgegangenen Woche veröffentlicht. Die Leute hatten ein Problem. So leicht war es nicht, in der DDR große Beträge schnell auszugeben – da mag das Ende einer 15jährigen Wartezeit für einen Trabi schon wichtiger gewesen sein als ein Lottogewinn. Erst mit der Maueröffnung führte ein dickes Sparkonto unerwartet zu effektivem Reichtum.

1991 fand der Lotto-Spaß Ost sein jähes Ende. Als letzten Amtsakt verfügte der Berliner Magi-Senat den Entzug der Lizenz des Ostberliner Lottobetriebes. In dem offiziellen Schreiben hieß es: „Aus ordnungspolitischen Gründen sind wir interessiert, daß die Zeit, in der eine Vielzahl von Lotteriespielen angeboten werden, möglichst kurz ist.“

Das Tele-Lotto wurde mit dem Fernsehen der DDR abgewickelt. Die letzte Ziehung hieß 1 aus 165. Nur ein einziger Ostmitarbeiter wurde vom West-Lotto übernommen. Sven Christian