Angeklagter steht ohne Hemd da
■ Ein T-Shirt zerstört die Legenden des Angeklagten / Ein bißchen Geständnis im Magdeburger Himmelfahrts-Prozeß
Magdeburg (taz) – Zehn Filmminuten dauerte es gestern, da war die Strategie des Verteidigers von Carlo F. im zweiten „Himmelfahrts-Prozeß“ geplatzt. Am zweiten Prozeßtag hatte der Anwalt ein T-Shirt zu den Akten gegeben, das Carlo F. am Tag der ausländerfeindlichen Krawalle getragen haben will. Jedem Zeugen, der Carlo F. belastete, hielt der Verteidiger das T-Shirt vor. Warum kein Zeuge dieses T-Shirt zweifelsfrei wiedererkannte, wurde gestern klar, als das seinerzeit beschlagnahmte Filmmaterial des Mitteldeutschen Rundfunks im Gerichtssaal gezeigt wurde, auf dem auch Carlo F. in einer Szene zu sehen ist. Der trug am Himmelfahrtstag nämlich ein ganz anderes Hemd. Seine Verteidigung: „Ich habe mich eben geirrt“, konnte das lange Gesicht des Verteidigers nicht so richtig aufhellen. Der fühlt sich offenbar von seinem Mandanten auf den Arm genommen.
Carlo F. war es gestern auch, der für eine Unterbrechung des Prozesses sorgte. Er besteht auf der Vernehmung eines Freundes, der bezeugen soll, daß der Angeklagte an den Ausschreitungen nicht beteiligt war. Nur war dieser Zeuge gestern nicht erschienen. Jetzt soll er für Montag erneut geladen werden. Ein erster von Carlo F. benannter Zeuge, der angeblich den ganzen Tag mit ihm zusammen war, mußte bei seiner Vernehmung einräumen, den Angeklagten vorübergehend aus den Augen verloren zu haben. Erst nach den Krawallen habe er ihn vor der Marietta-Bar wiedergetroffen.
Der Angeklagte Heiko K. änderte gestern seine Strategie und legte zunächst ein Teilgeständnis ab. Er gab zu, einen Stuhl in eine Scheibe der Marietta-Bar geworfen zu haben, die dabei zu Bruch ging. Mit einem weiteren Stuhl habe er sich gegen Mitarbeiter des Döner-Imbisses nebenan zu Wehr gesetzt, die sich mit Messern zu verteidigen suchten. Das Filmmaterial des MDR zeigt ihn aber auch bei späteren Ausschreitungen an jenem Tag als einen der Rädelsführer. Eberhard Löblich
