Nackter Grüner wird nicht plakatiert Organspendegesetz bereits scheintot

■ Berliner SPD-Senator war schneller – Plakat-Idee storniert / Eigene Bremer Wahlwerbung Die auch von Bremen favorisierte Neuregelung der Organtransplantation geht im Kompetenzgerangel zwischen Ländern und Bund unter / Am 1. September wird entschieden

Mal kein Krawattenfoto: Der grüne Bundestagskandidat Arendt Hindriksen präsentiert sich nackt, fast nackt. Selbstverständlich allerdings scheint ihm das nicht zu sein: gebräunt sind nur Gesicht und Arme, und entspannt steht er auch nicht gerade da. Drei Stunden laborierte man mit dem Kandidaten im Fotoatelier, heißt es, bis er endlich auch die Boxershorts fallen ließ. So stolz waren die Grünen auf diesen Plakatentwurf, sie freuten sich auf die Reaktionen auf das erste politische Nacktplakat Deutschlands. Dann der Schlag: Im Juli plakatierte die Berliner SPD einen ebenfalls nackten Jugendsenator Thomas Krüger. Untertitel: „eine ehrliche Haut“. Das Plakat ging durch die ganze Presse. Schweren Herzens zogen die Bremer Grünen ihr Nacktfoto wieder zurück. Man wollte nicht den Vorwurf des Plagiats riskieren.

Den Vorwurf der Nachahmung ziehen sich die Grünen nun aber mit ihrem Plakat für Marieluise Beck zu, das bereits überall in der Stadt hängt: „Lieber Marie“. Eine Anspielung auf die SPD-Parole aus dem letzten Bürgerschaftswahlkampf („Lieber Klaus“), die die Grünen mit einem „Lieber nicht“ konterten. Den neuen Aufguß finden manche BetrachterInnen allerdings längst nicht so lustig, sondern zum Gähnen – liegt jener Wahlkampf doch schon drei Jahre zurück.

Das zweite bereits aushängende Plakat sorgt da schon für mehr Diskussion: „Lieber nicht wieder nichts“. Nur vernichtende Kritiken haben die Grünen dafür bislang eingefahren – etwa in der Frankfurter Rundschau oder dem NDR. „Aber tote Hunde tritt man nicht“, grinst Ulli Schwecke von der Agentur „Vierplus – Atelier für Öffentlichkeitsarbeit“ und ist zufrieden. „Sicher, erst denken die Leute, was ist das denn für ein Schwachsinn, aber dann fangen sie an nachzudenken.“ Und kämen auf die vielerlei Bedeutungen der Parole „Lieber nicht wieder nichts“: Daß die WählerInnen nicht auf Wahlversprechen hereinfallen sollen, daß die grüne Partei diesmal nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern soll, daß man seine Stimme nicht wieder durch Nichtwählen an andere Parteien verschenken soll... Die grüne Wahlkommission traut ihrem Wählerpotential diese Gedankenakrobatik durchaus zu.

Die Wahlplakate der Bundespartei sehen ganz anders aus: Da streichen etwa zwei Frauen mit der Farbrolle eine Deutschlandkarte grün. Titel: Deutschland reformieren. Die Bremer Grünen waren schon mit den Europawahlplakaten unzufrieden. „Das waren reine Gewissensplakate“, sagt Ulli Schwecke. Da hielt zum Beispiel ein Farbiger eine Sonnenblume in der Hand. Der optische Eindruck sei „plüschig, fehlen nur noch die strickenden Parteimitglieder, eine Ikonographie wie aus der Studentenbewegung“.

Die Bremer Wahlkampfkommission befand: so verschlafen sei die grüne Partei doch gar nicht. Man entschied sich für einen Alleingang. Nur das biedere Sonnenblumenlogo der Partei mußten die Bremer übernehmen, ebenso das auf Personen bezogene Konzept. Um den Alleingang finanzieren zu können, mußte man sich eben auf einen Zweifarbendruck beschränken (blau und gelb).

„Grüne Politik, wenn sie gut ist, ist provokativ, innovativ, streitlustig“, sagt der beauftragte Werbefachmann Schwecke. Also dürfe die Erscheinungsebene nicht altbacken wirken. Er setzt auf Witz und Mehrdeutigkeit. Den Vorwurf der Inhaltsleere will er sich nicht machen lassen. „Plakate, die versuchen, eine politische Orientierung zu geben, sind zu 95 Prozent am Rand der Peinlickkeit.“ Für eine politische Orientierung könnten ohnehin nur Veranstaltungen sorgen, Plakate könnten „nur“ witzig sein, zu Fragen anregen und ein Image herausbilden. Und was die Kritik an den ersten beiden Plakaten betrifft: es gibt noch zwei weitere, frechere. „Man sollte die Theateraufführung nicht kritisieren, bevor sie zu Ende ist.“ cis