Serbische Opposition an Karadžić: Weiter so

Einstiger „Friedensstifter“ schlägt sich auf die Seite der Rechtsextremen im Belgrader Parlament  ■ Von Karl Gersuny

Berlin (taz) – In Opposition zum Belgrader Regime stand Zoran Djindjić schon immer. In Serbiens Präsident Slobodan Milošević erkannte der Philosoph und Vorsitzende der „Demokratischen Partei“ schon vor Jahren einen „Kriegstreiber“, den er für die Kriegsabenteuer in Kroatien und Bosnien verantwortlich machte. Auch die taz hofierte Djindjić einst als „Friedensstifter“ und „Hoffnungsträger einer demokratischen Opposition“, als besonnenen Führer einer winzigen bürgerlichen Gegenbewegung zum Belgrader Mainstream aus kriegslüsternen Generälen und großserbischen Freischärlerbanden.

Zwei Jahre später predigt nun Djindjić Völkerhaß und setzt auf neue Kriegsabenteuer, während sich Milošević und seine alleinregierende Sozialistische Partei als neue Friedensstifter des Balkans versuchen und ihre bosnischen Schwestern und Brüder zur Annahme des jüngsten internationalen Friedensplans drängen. Doch die Schwestern und Brüder schlagen die Warnungen aus Belgrad in den Wind. An diesem Wochenende wollen sie der Welt zeigen, daß sie jede „Drohung“ und jedes „Yankee-Diktat“ ignorieren.

Bosniens Serbenchef Radovan Karadžić stellt sich gegen seinen Ziehvater Milošević und erklärt: „Ich bin glücklich, daß das serbische Volk die Gebietsaufteilung Bosniens niemals annehmen wird.“ Und Djindjić ergänzt: „Meine bosnischen Brüder, ihr handelt weise.“ Um zu zeigen, wie weit seine Solidarität mit Karadžić mittlerweile geht, ließ Djindjićs Demokratische Parteifraktion am Donnerstag das Belgrader Bundesparlament zu einer Sondersitzung einberufen, auf der die „repressiven Maßnahmen“ des Milošević-Regimes, wie Grenzblockade und Entzug der militärischen Unterstützung, erörtert wurden.

Das Schauspiel war bizarr: Abgeordnete der regierenden Sozialisten beschuldigten Karadžić einer „grausamen Rücksichtslosigkeit“. Sie verurteilten dessen „heimtückische Entscheidung“, den Genfer Friedensplan grundlegend abzulehnen, wodurch der serbischen Sache „unermeßlicher Schaden“ zugefügt werde. Djindjić sang im Chor von Rechtsextremen wie Vojislav Šešelj und Mirko Jović mit.

Djindjićs Wandlung vom Pazifisten zum Kriegsbefürworter sind nichts grundsätzlich Neues. Seit dem Zusammenbruch des jugoslawischen Vielvölkerstaates vor vier Jahren erlebte das Belgrader Parlament schon mehrere Zweckbündnisse und überparteiliche Verbindungen. Der Verdacht liegt nahe, daß alle Ziehkinder von Milošević sind. So sieht es der Belgrader Altdissident und Politologe Dragomir Olujić, der sie noch alle persönlich kennt, von Djindjić über Šešelj bis zum bärtigen Vuk Drašković, der den umgekehrten Weg einschlug als die meisten serbischen Oppositionellen.

Anfang der 90er Jahre war es Vuk Drašković, der zusammen mit einigen noch heute bekannten Tschetnik-Größen wie Šešelj die „Serbische Erneuerungsbewegung“ ins Leben rief und sich für ein Großserbien stark machte. Milošević hielt damals noch an der kommunistischen Idee eines vereinten Jugoslawien fest. Selbst 1992 befürwortete Vuk, zu deutsch „der Wolf“, noch die „Bestrafungsaktionen“ gegen die „abtrünnigen Slowenen und Kroaten“ und forderte die „Befreiung aller serbischen Länder“. Als die Scharmützel in Kroatien in einen offenen Krieg umschlugen und die Welle der Gewalt auf Bosnien überschwappte, machte der ehemalige Studentenführer dann einen Rückzieher und forderte „eine Lösung des Jugoslawienproblems auf friedlichem Wege“.

Obwohl Vuk Drašković sich damals von seinem ehemaligen Weggefährten trennte, nahm er Monate später die Patenschaft des jüngstgeborenen Šešelj-Sohnes an. Der Freischärlerführer damals: „Auch wenn Vuk zum politischen Wirrkopf wurde, er bleibt ein Freund der Familie.“ Dabei blieb es. Am Donnerstag lagen sich die beiden in der Parlamentsdebatte in den Haaren.