Objekt feuchter Träume

Wie aus einer Autogrammstunde der Pornoqueen Sarah Young der Treffpunkt der verdrucksten Schwanzklemmer wird / Mit ihnen sprach  ■ Barbara Bollwahn

Was haben ein Flugzeugabfertiger, ein Krankenpfleger in der Mittagspause, ein Langzeitarbeitsloser, der mal Beamter war, und ein Elektriker, der nach Tunesien in Urlaub fliegt, gemeinsam? Sie alle wollen ein Autogramm der Pornodarstellerin Sarah Young. „Sie hat den Ruf, vor der Kamera am natürlichsten zu sein“, gibt sich der Elektriker als Fachmann zu erkennen und fügt hinzu: „Ich staune, wie klein sie ist.“ Ein Video mit ihr habe er zwar noch nicht gesehen. Aber zur Eröffnung des vierten Sarah-Young-Erotikmarktes in Berlin zeigt sich der Pornolaie ganz als Kenner. Wahrscheinlich hat er seine einschlägigen Infos den Kassetten „Sarah & Friends“ (strengster Jugendschutz) entnommen, auf denen die Engländerin als die „personifizierte Geilheit“ gepriesen wird, die auch der letzten Schnarchtüte zum „Taumel der Extase“ verhilft.

Obwohl sich die feuchte Hoffnung des Elektrikers, bei der gestrigen Eröffnung in Tempelhof ein Schnäppchen zu machen, nicht erfüllt hat, war das geduldige Warten die Mühe wert. Im Gegensatz zu den 99 Mark teuren Young- Kassetten gibt es die Autogramme umsonst. Ein Video wird er sich nicht kaufen, für den bevorstehenden Tunesienurlaub schon gar nicht. „Da gibt es am Strand genug schöne Frauen“, ist er überzeugt. Die Frage nach dem Grund seines Besuchs bei Sarah beantwortet er mit einer Gegenfrage: „Warum geht man auf den Weihnachtsmarkt?“ Die Antwort liefert er prompt: „Wegen der Einmaligkeit.“ Seiner Frau allerdings wird er beim Abendbrot nicht erzählen, wo er den Vormittag verbracht hat. Nicht etwa, weil Pornographie nicht zu Butter und Wurst paßt, sondern weil es seiner Meinung nach in der Natur der Frauen liege, darüber nicht zu reden.

Auch der 41jährige Langzeitarbeitslose, der mal Beamter war, lockt das „zugkräftige Autogrammangebot“. Er weiß, daß „Sarahs Wert mit der Zeit verblassen wird“, und so will er sie persönlich in ihrem Zenit erleben. Auch wenn es ihm nicht leichtfällt, mit seinen Krücken und der Stofftasche um den Hals in der Schlange auszuharren, läßt er sich gerne auf die Atmoshäre beim Warten ein. „Die Leute brauchen die Gewißheit, daß sie abgefertigt werden.“

Treffender könnte es nicht mal der junge Mann sagen, der von Berufs wegen Abfertiger ist – auf dem Flughafen Tempelhof. Während er Dessous betrachtet, versucht er, sich eine Zigarette anzuzünden. Als ihm eine Frau, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, Feuer gibt, zuckt er erschrocken zusammen. So viel Nähe bei so viel Fleisch scheint doch unangebracht. Eigentlich sei er nur gekommen, um Reizwäsche für seine Freundin zu kaufen. Genau wie der Krankenpfleger, der sich in der Mittagspause mit Sarah ablichten läßt, gehe er, wie die meisten, nicht oft „in so Läden“. Dann muß die lange Schlange bis auf die Straße wohl Einbildung sein.

Jedenfalls scheinen Pornodarstellerinnen beziehungsweise deren Oberweite eine ungeheuer beruhigende Wirkung auf Männer zu haben. Würde Sarah Schokoladenbrüstchen verteilen, die Männer würden ihr aus der Hand fressen – auch wenn sie unterhalb ihrer üppigen Reize im pinkfarbenen Rock und blickdichten Strumpfhosen eher wie eine Messehostess aussieht. Als 15jährige war sie noch scheu und konnte sich nicht vor anderen ausziehen, erzählt sie. Kurze Zeit später hat sie diese Hemmung überwunden und verdient seitdem mit den Schwächen der Männer ihr Geld. Die 23jährige spricht überraschend gut Deutsch. Ihre Lehrer waren ausländische Taxifahrer in Hannover, wo der Sitz ihrer Produktionsfirma ist. Diese betreibt sie mit ihrem Ehemann Hans Moser, der vorher mit Porno-Unternehmerin Teresa Orlowski liiiert war. Privat lebt sie auf Ibiza, wo sie vier Filme im Jahr dreht. Noch ein Jahr will sie vor der Kamera stehen und dann dahinter wechseln. In ihrer pornofreien Zeit liest und kocht sie oder schwimmt im Mittelmeer – auf ihren Silikonkissen.