Der längste Hiphop-Tag des Jahres

■ Gang Starr, Ice Cube, Jeru The Damaja, MC M'ello und Grave Diggaz heute im Stadtpark

Er ist Vegetarier, möchte uns den Unterschied von Queens, Sisters und Bitches erklären und geißelt Ignoranz gegenüber dem Propheten als Sünde. Zu Hause in Brook-lyn hat Jeru The Damaja die metaphorische Sprache der Religion und den Slang des Survival gelernt und zu einer verkifften Version seiner eigenen Befreiungslehre verschliffen. Auf Dope Beats und klitzigen Musikfragmenten spricht er unaufgeregt von dem Leben zwischen Tod, Drogen und Konsum-Sucht und versucht nicht so weit abzuhärten, daß „Peace!“ zur hohlen Formel wird.

Jeru, der sich selbst als Straßen-Wissenschaftler bezeichnet, ist jedoch eher ein Streetworker mit gehöriger Portion Schüchternheit in der Stimme, was ihn edelt. Seine Gratwanderung zwischen Gangsta-Rap und konsensfähiger Aufklärung wird auf seinem Debut The Sun Rises In The East musikalisch begleitet von Gang Starrs DJ Premier, der die jazzigen Partikel einstreut und auch als Jerus Entdecker gilt.

Dieser und Guru begleiten ihn mit ihrer Band dann auch auf seiner ersten Europa-Tour, nachdem Guru mit Jazzmatazz ja zuletzt überwiegend allein die Alte Welt besuchte. Die Verwandschaft im Geiste wie im Wort dokumentiert ihr letztes Album Hard To Earn, eine breitgestemmte Erklärung der Individualrechte vom wirtschaftlichen Abflußsink der USA mit Samples aus dem Erbe der schwarzen Musik. Guru, der von allen Pressesprechern der schwarzen Sache das größte Charisma und den intellektuellsten Zusatzton besitzt, bildet vielleicht die fundierteste Gedankenbrücke zwischen den geistigen Kontinenten dies- und jenseits des Atlantik.

Ice Cubes Geschick, mit dem er Worte mit angeschliffenen Zähnen in weiche Tücher wickelt, führt seine Stücke regelmäßig in die Charts, obwohl der stets grimmig dreinblickende Ghetto-Millionär keineswegs um die angstfreie Aura eines Bestsellers buhlt. Aber sein letzter Wurf, George Clintons One Nation Under A Groove mit dem Meister darselbst aufzunehmen (allerdings einen 80er Prince-Groove darunterzulegen) und für MTV zu verfilmen, beweist doch wiederum sein kommerzielles Näschen. Trotzdem ist Ice Cubes Axiomatik aus verengtem Polizistenhaß, großkotzigem Chauvinismus und militaristischem Größenwahn auch gemildert durch versöhnliche Töne nicht unbedingt eine Haltung, die hierzulande zu mehr taugt, als zu aufgeblasenem Ghettokämpfer-Kitsch.

Vervollständigt wird der lange Tag des Hiphop im Hamburger Stadtpark durch Grave Diggaz und den coolen britischen Rap-Künstler MC M'ello. Till Briegleb

Heute, Stadtpark, 19 Uhr