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■ Urteile im zweiten Himmelfahrts-Prozeß von MagdeburgMonster, hinter Gitter weggesperrt

Zu Ende ging gestern ein Prozeß, der mit banger Sorge um das Ansehen der Stadt Magdeburg und der Deutschen in der Welt geführt wurde. Zwischen zweieinviertel und drei Jahre lang gehen drei junge Männer in den Knast, die am Himmelfahrtstag mit schweren Stiefeln und Bierfahne durch die Stadt stampften und „Neger aufklatschten“. Sie haben die Afrikaner „wie die Tiere durch die Stadt gehetzt“, sagte Richter Fabricius in seinem Schlußwort. Mit dem hohen Strafmaß, so begründete er, wollte das Gericht auch den „Anfängen wehren“. Diejenigen, die wie Helmut Kohl hilflos die „unfaßbare sittliche Verrohung“ der Jugend mit ansehen, wird das Urteil befriedigen. Hat der Rechtsstaat doch wieder einmal drei Monster entschärft.

Mit ihrer brutalen Menschenverachtung haben uns auch diese drei das Fürchten gelehrt. Doch was bedeutet das Urteil ihnen? Der deutsche Zombie der Gegenwart ist siegesgewiß. Die Polizei nimmt er nicht ernst, Eltern haben ohnehin nichts zu melden, und eine Knaststrafe schreckt ihn nicht. Soviel steht fest. Ob sechs Monate oder 16 Jahre, vom Knast läßt sich kaum ein Gewalttäter abschrecken. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie, die der Bielefelder Pädagoge Joachim Müller im Auftrag des Bundesjustizministeriums durchgeführt hat. Menschenkenner seien sie, die Bedrohung und Angstmachen gezielt einsetzen können, sagen Gewalttäter von sich, die seit Jahren im Jugendvorzeigeknast Hameln einsitzen. Darauf sind sie stolz.

Auch die drei von Magdeburg werden klaglos hinter Gitter gehen. Dort, so kann vermutet werden, verwahrlosen sie, lernen Nazilieder, organisieren sich womöglich in der Braunen Hilfe und ritzen sich zum Zeichen ihrer Standhaftigkeit Hakenkreuze in die Oberarme. Sie werden mannhaftes Durchhaltevermögen beweisen. Bis weit über den Tag ihrer Entlassung hinaus.

Gefängnisstrafen beruhigen aufgescheuchte Demokraten, verfolgen aber kein vernünftiges Ziel. Betroffenheit über die Taten, Nachdenken über Gewalt und männliche Härte lassen sich nur erreichen, wenn das Innere der Täter, wenn ihre Seele erreicht wird. Dafür sind spezielle Betreuungsprogramme im Gefängnis vonnöten, ein Anti-Gewalt-Training etwa, wie es in Hameln erfolgreich praktiziert wird. Die Täter von Magdeburg werden aller Voraussicht nach nicht in einem Knast mit pädagogischer Vollversorgung untergebracht. Niemand wird sich die Mühe machen und ihnen in Rollenspielen zeigen, wie sich die Opfer ihrer Brutalität fühlten. Sie werden sich nicht mit der Frage konfrontieren müssen: Wie hört es sich an, wenn Rippen splittern? Wieviel Blut fließt aus dem Gesicht eines Menschen, dem ein Stuhlbein übergezogen wird? Ich-nahe Fragen sind das. Sie können das Leid der Opfer den Tätern deutlich machen. Sie bringen mehr als generelle Debatten. Sie bringen Erkenntnisse. Die Konfrontation mit dem Feindbild muß den Tätern vom Gericht verordnet werden. Sonst bleiben hohe Freiheitsstrafen bloß zahnlose Demonstrationen einer um ihren Ruf besorgten Gesellschaft. Annette Rogalla

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