Tradition gegen Entfaltung

■ Der HSV spielt am Sonnabend gegen den Karlsruher SC

Gäbe es nicht die Affäre um Nationalspieler Thomas Häßler, der Mitte August mit 1,6 Promille am Steuer erwischt wurde, Karlsruhes Trainer, Winfried Schäfer, könnte hundertprozentig zufrieden sein. Wahrscheinlich ist er es auch trotz des Führerscheinentzugs seines illustren Neuzugangs. Bislang blieb die tumbe Angelegenheit – Millionengehalt, aber keine 20 Mark fürs Taxi – ohne Auswirkung auf die sportlichen Leistungen. Mit 5:1-Punkten liegen die Badener auf Platz drei und schicken sich an, wieder so aufzutrumpfen wie bei ihrem Höhenflug bis ins Halbfinale des Uefa-Cups.

Was das mit dem HSV zu tun hat? Eigentlich gar nichts und doch sehr viel. Momentan können die Hamburger mit ihren Gästen nicht konkurrieren – weder sportlich, noch finanziell (gescheiterter Häßler-Transfer), auch wenn der Mannschaft von Benno Möhlmann am Sonnabend (15.30 Uhr) eventuell eine Überraschung gelingen kann. Das ist es, was den HSV-Trainer so fasziniert: Wie schafft es jemand, aus einer mittelmäßigen eine Spitzenmannschaft zu machen? Eine Frage, die die nach den eigenen Entfaltungsmöglichkeiten miteinschließt, denn der Coach weiß, daß er nicht so viel Zeit haben wird wie sein Kollege hatte: acht Jahre. Angesichts der bundesligaprägenden hire-and-fire-Mentalität eine Ewigkeit.

Dagegen Möhlmann: „Mit jungen Spielern zu experimentieren ist nicht mehr drin, ich muß Erfolge bringen.“ Das „Modell Karlsruhe“ also keines für den HSV? Wahrscheinlich, denn zu unterschiedlich sind die Ausgangsbedingungen. Auf der einen Seite ein traditionsschwerer Verein, auf der anderen einer, der sich lieber seiner Gegenwart rühmt. So könnte es sein, daß in ein paar Jahren Benno Möhlmann nicht mehr als einer von vielen HSV-Trainern gewesen sein wird, während Winfried Schäfer noch immer den KSC betreut. Auch eine Form von Tradition. cleg