Eurokraten kämpfen für Vogelschutz

EU hat Bedenken gegen die neue Ostseeautobahn / Die Kommission in Brüssel verlangt von der Bundesregierung Erklärungen wegen der Verletzung von Vogelschutzgebieten  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Europäische Kommission in Brüssel wird mit großer Wahrscheinlichkeit wegen der Ostseeautobahn A 20 ein Verfahren gegen die Bundesrepublik einleiten. Die geplante und teilweise bereits begonnene Autobahn durchschneidet wichtige Vogelschutzgebiete und verstößt damit nach Ansicht von Umweltschutzverbänden gegen die „Habitat“-Richtlinie, die seit 1. Juni 1994 in Kraft ist und die alte Vogelschutzrichtlinie auf alle wild lebenden Tiere und Pflanzen ausweitet.

Mitarbeiter der Umweltdirektion in Brüssel teilen diese Auffassung. Doch anders als einige Umweltschutzverbände am Mittwoch in Kiel verbreiteten, hat die Kommission das offizielle Verfahren noch nicht eröffnet. Die Bundesrepublik wurde aber zu einer Stellungnahme aufgefordert. Danach wird die Kommission prüfen, ob sie eine Änderung der Streckenführung verlangen und bei einer Weigerung der Bundesregierung notfalls den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen wird. Die Hoffnungen der Umweltschutzverbände stützen sich vor allem auf das „Santona“-Urteil, mit dem der EuGH vor einem Jahr spanische Behörden gezwungen hat, Baumaßnahmen abzubrechen und ein geschädigtes Vogelschutzgebiet wieder herzustellen.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), sowie der Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein und andere Umweltverbände werfen der Kieler Landesregierung zudem vor, auf die von der Europäischen Union vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet zu haben. Auch hier könnte die Kommission Nachbesserungen verlangen, was vor allem bedeuten würde, daß die bisher zu kurz gekommene Bürgerbeteiligung nachgeholt werden müßte.

Daß die Ostseeautobahn durch ein Verfahren der Europäischen Kommission verhindert werden könnte, gilt in Brüssel aber als eher unwahrscheinlich. Selbst die Habitat-Richtlinie erlaubt Eingriffe in Vogelschutzgebiete, wenn die geplanten Baumaßnahmen wirtschaftlich notwendig sind und es keine Alternativen dazu gibt. Bundesverkehrminister Matthias Wissmann hat in allen bisherigen Plädoyers für die A 20 darauf beharrt, daß sie für den wirtschaftlichen Aufschwung in Ostdeutschland unverzichtbar sei. Die Mehrheit der 17 Kommissare gilt als hinreichend straßenfreundlich, um Wissmann zu folgen und die Kollegen aus der Umweltabteilung in diesem Punkt zu überstimmen.

Für die Schäden, die die A 20 im Lübecker Bereich anrichtet, wird die Kommission wohl Ausgleichsmaßnahmen verlangen, etwa Neupflanzungen und Erweiterung der Naturschutzgebiete an anderer Stelle. Von den Baumaßnahmen sind hier vor allem der Naturpark Schaalsee und die Lauenburgischen Seen betroffen. Die Lauenburgischen Seen sind zwar noch nicht als anerkanntes Schutzgebiet ausgewiesen, entsprechen aber nach Ansicht der Umweltschutzverbände den nötigen europäischen Kritierien.

Heikler wird ein zweites Verfahren werden, das die Kommission ebenfalls wegen der A 20 vorbereitet. Dabei geht es um das Peenetal in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Trasse ein als besonders wichtig eingestuftes Vogelschutzgebiet durchschneidet. Bei der geplanten Trasse sind nach Ansicht von Kommissionsmitarbeitern keine Ausgleichsmaßnahmen möglich, so daß die Streckenführung verändert werden müßte.