Amtsgericht beendet Magdeburger Justizposse

■ Zwei Antifas standen wegen Volksverhetzung vor Gericht / Sie sollen „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ gerufen haben / Freispruch und Einstellung

Magdeburg (taz) – Um ein Haar wäre Magdeburg schon wieder in die Negativschlagzeilen geraten. Vor dem Magdeburger Amtsgericht wurde gestern ein seit dem 16. Juni unterbrochener Prozeß gegen zwei Magdeburger Antifaschisten fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft warf den beiden 21 und 24 Jahre alten Männern Volksverhetzung vor, weil sie bei einer Demonstration unter anderem „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ gerufen hatten. Anklage und Prozeß hatten in weiten Kreisen ziemliche Entrüstung hervorgerufen. Selbst ein Angebot des Gerichts, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, war seinerzeit am Widerstand der Staatsanwaltschaft gescheitert. Gestern bereitete nun das Gericht der Justizposse ein Ende – mit einem Freispruch und mit einer Verfahrenseinstellung.

Die angebliche Volksverhetzung geschah am Rande einer Demonstration kurz nach den ausländerfeindlichen Brandanschlägen von Mölln im November 92. Kurzfristig hatte die antifaschistische Szene zu der Demo mobilisiert, sie wegen der Kürze der Zeit aber nicht mehr beim Ordnungsamt angemeldet.

Der Sprecher des bündnisgrünen Landesvorstandes und jetzige Bundestagskandidat Michael Rost hatte seinerzeit gegenüber der Polizei die Verantwortung für den Demo-Verlauf übernommen. „Die Route des Zuges war mit der Polizei abgesprochen“, so Rost gegenüber der taz. Im Verlauf der Demonstration wich der Zug jedoch von der vereinbarten Route ab und drehte eine Runde um den Bahnhofsvorplatz. „Da wurden die Polizisten kiebig“, sagt Rost. Und das sei bis zur Drohung gegangen, die Demo gewaltsam aufzulösen. Gegen die Drohung protestierten die Demonstranten mit Sprechchören. „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ ist dabei auch gerufen worden. In die Anklage wegen Volksverhetzung flossen aber auch Parolen wie „Haut den Nazis auf die Fresse“ und „Aufruhr, Widerstand – es gibt kein Großdeutschland“ ein.

Die beiden Angeklagten, so die Staatsanwaltschaft, seien tonangebend und überdies Versammlungsleiter gewesen. Das kann sich Michael Rost kaum vorstellen. Einer der Angeklagten war dem zuständigen Revierleiter aus der Antifa- Szene bekannt, „und das ist eher ein gespanntes Bekanntschaftsverhältnis“, so der 21jährige. Sein 24jähriger Mitangeklagter sagte aus, bei der Demo gar nicht dabeigewesen zu sein. Das mußte dann auch der einzige Belastungszeuge, der Leiter des Magdeburger Polizeireviers Mitte, Henning Strauch, zerknirscht einräumen. „Ich war ganz erschrocken, als ich hier in den Saal kam“, begann Strauch seine Aussage. „Der Angeklagte, der dort auf der Bank sitzt, ist nicht der, den ich mit meiner Anzeige meinte.“ Wie die Personalien von Matthias S. in die polizeiliche Anzeige kamen, konnte Strauch aber nicht erklären. Der anschließende Freispruch war erster Klasse.

Der Richter machte deutlich, daß er für Parolen wie „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ wenig übrig habe. Trotzdem halte er hier eine Bestrafung für überzogen, winkte der Richter mit dem Zaunpfahl. Eilends wies die Staatsanwältin darauf hin, daß dann aber die Parole „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ als Beleidigung gewertet werden könne. Hier werde „ein großes Brimborium im Grunde um nichts gemacht“, fand sogar der Richter und stellte das Verfahren gegen den 21jährigen endgültig ein. Eberhard Löblich