Schwerer Atomunfall im gefährlichsten AKW der Welt

■ Brand in der Plutoniumfarbik Majak im Ural

Berlin (taz/dpa) – In der gefährlichsten Atomfabrik der Welt hat sich erneut ein offenbar schwerer Atomunfall ereignet. Lika Galkina von der Moskauer Greenpeace-Sektion sprach gestern von einer „sehr großen Bedrohung für die Menschen“ in der Millionenstadt Tscheljabinsk, die nur 70 Kilometer von der berüchtigten Plutoniumfabrik „Majak“ („Tscheljabinsk-65“) entfernt im Südural liegt. In Majak war am Mittwoch um 0.45 Uhr Ortszeit (4.45 MESZ) eine radioaktive Brennstoffkassette in Brand geraten, während offenbar Beschäftigte gerade dabei waren, abgebrannte Brennelemente vor der Wiederaufarbeitung auseinanderzunehmen. Bei einem derartigen Unfall sei „auf jeden Fall mit hoher Strahlenfreisetzung zu rechnen“, sagte Greenpeace- Atomexpertin Inge Lindemann. Von russischen Experten vor Ort wurde der Unfall laut Interfax in die Kategorie 3 („ernster Zwischenfall“) auf der internationalen siebenstufigen Skala eingeordnet, während das Moskauer Atomministerium wie üblich abwiegelte: Menschen und Umwelt seien nicht zu Schaden gekommen. Der Bevölkerung sei über das lokale Fernsehen mitgeteilt worden, daß keine Gefahr bestehe. Immerhin wurden laut Interfax nach Aussagen des diensthabenden Ingenieurs die Majak-Anlagen nach dem Unfall abgeschaltet. Greenpeace kritisierte, daß nur der Ausstoß von Cäsium 137 nach dem Unglück gemessen wurde, nicht aber der des weit gefährlicheren Plutoniums, das sich immer in abgebrannten Brennelementen findet.

Für die Bevölkerung in dem relativ dicht besiedelten Gebiet erhöht sich mit diesem Unfall die Strahlenbelastung weiter. 1957 war es dort zu dem bisher größten Atomunfall gekommen, als ein Plutonium-Brutreaktor für die Waffenproduktion in die Luft flog und die Umgebung so stark verseuchte wie die Bombe Hiroshima. Evakuiert wurde damals niemand. Wie viele weitere Störfälle es danach in der Geheimfabrik gab, weiß noch immer niemand. Donata Riedel