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SanssouciNachschlag

■ "Hexen": Zwei-Frauen-Musical im KAMA-Theater

Bei Blitz und Donner kommen sie hereingeweht. Sie tragen, was sie spitz zur Kenntnis nehmen, das gleiche Kleid und rauschen fortan im Schweinsgalopp durch den Hexenkessel. „Die Hexen“, ein Zwei-Frauen-Musical im KAMA-Theater – das riecht vorerst verdächtig nach selbstgestrickten lila Strümpfen – aber nein: Der Song-Sud brodelt, die Texte von Peter Lund sind knackig und die Nummern heiß, zum Schluß sitzt das Publikum verzaubert auf den Stühlen, reibt sich die Augen und mag gar nicht glauben, was es da gerade gesehen hat.

Die Pointen sitzen hundertprozentig, die beiden „Hexen“ – die Theaterleiterin und Regisseurin Katja Nottke höchstpersönlich als Grete Strumpf und Christine Rothacker als Anna Golde – harmonisieren vorzüglich. Und, gar nicht selbstverständlich in Off-Häusern, selbst wenn sie heimlich ein Gütesiegel tragen: auch der Einsatz von Musik, Licht und Geräuschen ist perfekt. Apropos Musik: Danny Ashkenasi hat ein wunderbares Potpourri komponiert, das zuweilen an Brecht/Weillsche Töne erinnert, und auch schwungvolle Schlager integriert. Und dazu bringen drei wunderbare Musiker beste Einsätze. Die Kritikerin gesteht: hoffnungslos der Magie der Hexen verfallen. Es tut nichts zur Sache, daß das Thema „Hexen“ einen gewaltigen Bart hat, so lustig, heftig und frei von der Seele weg, wie es hier präsentiert wird, ist es eine Wucht.

Die beiden Hexen stehen bereits in ihrem achten Leben (neun davon haben sie bekanntlich), sind einigermaßen desillusioniert und ziehen das Fazit: Es ist so, wie es ist, basta! Morgens entdeckt man im achten Leben schon mal Krähenfüße um die Augen – eigentlich nicht weiter schlimm, meint Anna, schrecklich sei nur: „Sie sehen auch so aus, wie sie heißen!“ So plaudern die beiden in einem fort. Grete Strumpf, die Karrierehexe mit Siamkater, ansonsten solo, kabelt mit drei Telefon- und Faxpartnern gleichzeitig, parallel dazu wirbelt Anna Golde, familiär von Hendrik und Balg Hans eingespannt, mit Schlangen, Kröten und qualmenden, giftroten Flüssigkeiten in ihrer Hexenküche. Klar, daß die beiden unter diesen Umständen eine Erholung im einzig noch bestehenden Hexenreservat verdient haben – dem Müttergenesungswerk, das ausgerechnet Dank Vater Sozialstaat noch erhalten ist.

In lila Stulpen (also doch!) zur Aerobiknummer bringen Rothacker und Nottke ihren Hit, eine Art gnadenloser „Berliner Berg-Jodler“ zum Mitschunkeln. Das geht dann ungefähr so: „Schmeiß dein Kind nicht an die Wand, schick es lieber in den Wald, holla hi, holla ho.“ Da bleibt kein Auge trocken. Hoffentlich werden auch die vier folgenden Produktionen der KAMA- Herbstreihe unter dem Titel „Unbeschreiblich weiblich“ so unbeschreiblich toll. Petra Brändle

Bis 28.9., Di-Do: 20.30 Uhr, Fr-So: 19.30 und 21.15 Uhr, KAMA, Schwiebusser-/Ecke Friesenstraße, Kreuzberg. Die nächste Premiere der Reihe ist am 30.9.: „Mein Prinz wird kommen“.

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