Gedrillte Athleten gegen Hobby-Fußballer

■ Bei der ersten Fußball-Weltmeisterschaft für geistig Behinderte in den Niederlanden gab es Ärger, weil die Final-Teilnehmer Rumänien und Slowakei anscheinend schummelten

Amsterdam (taz) – Bei der etwas anderen Fußball-Weltmeisterschaft gab es überraschende Resultate. Im holländischen Hogeveen verlor etwa England gegen Rumänien mit 0:28. Gegen die Niederlande trafen die Männer von der Insel zwar einmal, dennoch mußte ihr Torwart gleich 29mal hinter sich greifen. Beim letzten Treffer konnte es auch die Anzeigentafel nicht mehr fassen, die Zahl 29 war nicht vorhanden.

Eigentlich hätte diese Weltmeisterschaft eine ganz entspannte Angelegenheit werden können. Es war die erste WM für geistig Behinderte, zwölf Nationen nahmen teil. Doch es gab ein bißchen Ärger. Nicht allein, daß etwa die auflagenstarke Boulevardzeitung de Telegraaf sogar auf der Titelseite Witze machte. „Niet gek Gespeeld“, meldete die Gazette, „nicht verrückt gespielt“. Auch unter den Teilnehmern gab es Ärger. Rumänien und die Slowakei wurden verdächtigt, eine wesentliche Bedingung nicht eingehalten zu haben. Es durften nur Spieler aufgestellt werden, die nachweislich einen Intelligenzquotienten von weniger als 70 hatten. Die Griechen etwa, die von den Slowaken gleich mit 0:37 gedemütigt wurden, waren genauso wütend wie die Engländer. Ihnen war zu wenig Fair play im Spiel.

Anscheinend waren Rumänen und Slowaken ein bißchen zu ehrgeizig. Die Engländer beispielsweise ließen jeden mitspielen, der Lust hatte, egal, ob der nun einen IQ von 30, 15 oder 69 hatte. Die Slowaken dagegen hätten „elf gedrillte Ahtleten, die nun nicht gerade Schwachsinnigkeit abstrahlten“ (de Volkskrant), zur Weltmeisterschaft geschickt. So war es schließlich kein Zufall, daß diese beiden Länder das Finale bestritten. Vor immerhin 6.000 Zuschauern gewann Rumänien mit 2:0 gegen die Slowakei, dritter wurde Belgien nach einem 5:0 gegen Holland. Deutschland belegte nach einem 7:3 gegen Dänemark den siebenten Platz.

Überhaupt bekamen insgesamt über 30.000 Zuschauer teilweise ansprechenden Fußball zu sehen. „Für mich und meine Jungs ist das hier Spitzensport und nichts anderes“, meinte der holländische Coach René Bouma. Und das war es auch. Im Viertelfinale schalteten die Holländer in einer packenden Partie Deutschland mit 4:3 aus, dabei hatten die Deutschen zunächst mit 0:3 und in der Pause mit 1:3 geführt. 5.000 begeisterte Zuschauer bejubelten in der Schlußminute den Siegestreffer der Oranjes. Für einen holländischen Fußballfan gibt es nun mal nichts Schöneres als einen Sieg über Deutschland.

Beim Halbfinale gegen die Slowaken zeigte das holländische Fernsehen einen längeren – im Kommentar spottfreien – Bericht. Schade nur, daß der Moderator nicht an sich halten konnte und ein niveauloses Späßchen hinterher absonderte. Auch dieses Spiel war jedoch ansprechend, die Holländer kombinierten fein, vergaben aber Chance auf Chance. Zwei Konter genügten den Slowaken schließlich, um das Spiel mit 2:0 für sich zu entscheiden.

Die Holländer hatten diese WM überhaupt sehr ernst genommen, vielleicht ein bißchen zu ernst. Hollands Coach Bouma unverblümt: „Wir sind hier hergekommen, um Weltmeister zu werden.“ Die vom Verteidigungsminister eröffnete Startfeier ließen die Holländer aus, statt dessen marschierten Doubles wie bei der Weltmeisterschaft der Profis ein. Dann fegten die Niederländer im Eröffnungsspiel die Österreicher mit 14:0 vom Feld. Der Arzt des „Nederlandse Sportbond voor Mensenh met een Versandelijke Handicap“ (NDG) meinte dazu: „Das Bild vom lustigen Mongoloiden, der lachend auf dem Feld herumläuft, muß schnellstens weg.“ Het Parool wußte staunend zu berichten, daß die niederländischen Spieler sogar Strafe fürs Zuspätkommen zahlen mußten. Trainer Bouma: „Wir wollen nun mal ein Team haben, das so gut wie möglich ist.“

Insgesamt waren die Organisatoren sehr stolz auf diese Fußball-WM. Günter Unger, ein vor langer Zeit nach Holland ausgewanderter Chemnitzer: „Wir sind gerührt von der Verbrüderung der Spieler untereinander, von dem eindrucksvoll fairen Publikum.“ Und ein Defizit hat es auch nicht gegeben: „Das Budget von ungefähr 1,3 Millionen ist durch Sponsoren wie die Rabo-Bank und die überraschend hohe Zuschauerzahl gedeckt.“ Die Weltreiterspiele in Den Haag dagegen waren unlängst ein finanzielles Desaster. Falk Madeja