Sanssouci
: Nachschlag:

■ Daniil Charms im Ballhaus Naunynstraße

„Brauchen Sie ein Handtuch?“, fragt Elizaveta Bam ganz unschuldig, und meint dabei eher ein Kleenex. Bei den befragten Herren handelt es sich um zwei russische Geheimdienstler. Sie sollen Elizaveta liquidieren. Aufreizend wippt sie im enganliegenden roten Stretchkleid mit ihrem künstlich aufgepopten Busen. Aber als so künstlich stellt sich die Attrappe dann gar nicht heraus. Je einen großen wohlfeilen Apfel reicht sie den beiden aus dem Dekolleté. Ivan Ivanovic (Michael Baderschneider) ist verzückt über die Eva-Gabe, Petr Nikolaevic (Ralph Hensel) wienert ihn mit Inbrunst an der Jacke blank.

Das ist eine der wenigen Szenen, in denen Annedore Kleist als Elizaveta zu verzaubern versteht. Mit ihrem Sex-Appeal sollte sie eigentlich die Fäden spannen und die Mördermänner eigentlich als Hampelmänner vortanzen lassen. Das mag ihr so recht nicht gelingen, und deshalb bleibt es meist beim Wackeln. Die Darstellung ihrer Angst vor den sich nähernden Schwadronen, die wie eine Klammer um die Inszenierung gelegt ist, verausgabt sich im Artifiziellen.

Die Koproduktion des Drama-Theaters Vilnius und des Mecklenburgischen Landestheaters Parchim war am Wochenende im Ballhaus Naunynstraße zu sehen. Die Schauspieler aus Parchim spielten eine Bearbeitung von Daniil Charms „Elizaveta Bam“. Die gezeigte Fassung, eine Collage aus dem Theaterstück, Prosa und Lyriktexten von Charms, wurde von dem litauische Regisseur Oskaras Korsunovas vom Drama-Theater Vilnius erstellt. Der Ausstatter Aidas Bareikis sowie der Komponist der Bühnenmusik, Gintaras Sodeika, kommen aus dem selben Haus. Korsunovas gilt als Charms-Spezialist, beim Edinburgh- Festival 1992 gewann er mit seinem Charms-Abend „Da, um hier zu sein“ den ersten Preis.

Michael Baderschneider vereint den geilen Häscher, den braven Familienvater wie den Regredierten spielerisch: Der Auftragsmord ein Kinderspiel. Naemi Schmidt-Lauber als Mamasa singt inbrünstig-stumm minutenlang ein Lied mit dem Text „Umbringen“. Leider überzeugte der Abend jedoch nur in wenigen Szenen. Die Schauspieler hielten in der durchchoreographierten Inszenierung nicht das nötige Tempo, und den Bewegungen sieht man die Notation oft allzu deutlich an. Die Absurdität gerät zum Slapstick, es fehlt die Schärfe. Darüber können auch die kleinen, charmanten Regieeinfälle nicht hinwegtrösten.

„Außer Recken und Helden sind auch unbeteiligte Personen ums Leben gekommen, z.B. Hasen“, sagt Ivan Ivanovic. Millionen Unbeteiligte, wie auch Daniil Charms, wurden unter Stalins Herrschaft umgebracht. Womöglich auch wegen seines skurrilen Humors. Caroline Roeder