Teure Treuhand in untreuen Händen

■ Untersuchungsausschuß legt nach einem Jahr seinen Abschlußbericht über die Breuel-Behörde vor

Berlin (taz) – „Er wußte nicht, daß er nichts wußte, weil er nicht wußte, daß es etwas zu wissen gab“, so urteilt Otto Shily (SPD) über Finanzminister Theo Waigel und seine Aufsichtspflicht gegenüber der Breuel-Behörde. Gestern stellte er als Vorsitzender des Treuhanduntersuchungsausschusses den Abschlußbericht vor. Die Bundesregierung habe die Behörde weitgehend allein schalten und walten lassen. Erst in Zukunft werde sich das „wahre Ausmaß der wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen“ herausstellen, glaubt Shily. Die Abgeordneten der Regierungskoalition hingegen stellten Waigel erwartungsgemäß ein gutes Zeugnis aus: Er habe die Rechts- und Fachaufsicht „ordnungsgemäß ausgeübt.“

Seit letzten Herbst versuchte der von der SPD beantragte Untersuchungsausschuß, die Arbeit der Treuhand zu überprüfen. Mit geringem Erfolg, denn das Finanzministerium, die Breuel-Behörde und die Koalitionsvertreter im Ausschuß haben dafür gesorgt, daß den Abgeordneten möglichst viele Informationen über die Arbeit der Privatisierungsbehörde vorenthalten wurden. Monatelang mußten die Abgeordneten auf die ersten Akten warten. Fast 80 Prozent von ihnen waren dann als Verschlußsache deklariert. In ihrem Eifer, möglichst nichts an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, stuften Treuhand und Bundesfinanzministerium sogar Presseartikel und das Treuhandgesetz als geheim ein. Bis heute überhaupt nicht zugänglich sind die Protokolle der höchsten Treuhand-Entscheidungsgremien. Die Breuel- Behörde machte dafür einen unausforschbaren „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ geltend, den das Bundesverfassungsgericht einmal der Regierung zugebilligt hatte. Die SPD reichte im Frühjahr eine Klage in Karlsruhe ein – mit dem Urteil aber ist erst weit nach den Bundestagswahlen zu rechnen, kündigten die Richter mit den roten Roben an.

Immer wieder verhinderten CDU/CSU und FDP, daß der Ausschuß auch außerhalb der Sitzungswochen tagen konnte. Von den 214 eingeladenen Zeugen wurden deshalb nur 114 vernommen. „Die Arbeit des Untersuchungsausschusses bleibt ein Torso“, bilanziert Shily. Es müsse überprüft werden, ob der Ausschuß in der nächsten Legislaturperiode „ernsthaft“ weiterarbeiten solle.

Die Treuhand habe sich als „institutionelles Chamäleon“ verstanden, so Shily. Je nach Lage habe sie als Behörde oder Unternehmen, als Teil der Regierung oder als Überbleibsel aus der DDR agiert. Das Bundesfinanzministerium habe das zugelassen und allenfalls eine „passive Aufsichtsführung“ gehabt, wie auch der Bundesrechnungshofvertreter bei seiner Befragung moniert hatte. Das Fehlen eines genauen Gesetzesauftrags habe zu immensen Gestaltungsspielräumen der Treuhand geführt. Die habe dann vor allem auf ein „Durchpeitschen“ der Privatisierung gesetzt, anstatt behutsame Sanierung zu betreiben. Das Bonussystem, das Schnellverkäufern in der Treuhand satte Zusatzeinnahmen versprach, bedeutete für viele Betriebe das spätere Aus. Die Treuhandmitarbeiter aber mußten selbst bei grober Fahrlässigkeit nicht für ihr Tun haften. Annette Jensen

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