Amerika hat eine kulturelle Aufgabe

■ Von 1995 an soll es in Berlin eine „American Academy“ geben, die ein Zentrum für wissenschaftlichen Austausch in Zentraleuropa werden soll / Ein Interview mit dem künftigen Direktor Steven Mansbach aus Washington

Auf Initiative einiger Amerikaner soll es ab 1995 in Berlin eine „American Academy“ geben. Die amerikanische Institution soll die „Nummer eins“ für wissenschaftliches Arbeiten, Austausch und Begegnung in Zentraleuropa sein. Im Vorstand der Akademie sind bereits so illustre Persönlichkeiten wie der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger, Daimler- Chef Edzard Reuter und der ehemalige US-Außenminister George Shultz. Vergleichbare amerikanische Einrichtungen gibt es bereits in Italien, Griechenland, der Türkei und Fernost. Wo die Akademie in Berlin ihren Sitz haben wird, ist noch nicht klar. Die Einzelheiten werden voraussichtlich am 10. September bekannt gegeben. Die taz sprach mit Professor Steven Mansbach (45), der bisher 2. Dekan des „Center for Advanced Study in the Visual Art“ in Washington war und in der Berliner „American Academy“ Direktor und Dekan sein wird.

taz: Das Ziel der „American Academy“ ist ein kultureller und intellektueller Austausch zwischen Wissenschaftlern aus Ost und West. Wie kam man auf Berlin?

Steven Mansbach: Wir hatten zuerst an Städte in Osteuropa gedacht, denn wir wollten ursprünglich den Westen zum Osten bringen. Aber nach langen Überlegungen haben wir erkannt, daß Berlin die größten und reichsten Forschungsressourcen hat. Vor allem in dem Bereich, in dem die Akademie aktiv werden will – in den Geisteswissenschaften. Zum Beispiel gibt es in Berlin 157 Museen, 269 Büchereien, dutzende Forschungsinstitute und natürlich die großen Universitäten. Berlin ist schon jetzt eine intellektuelle Hauptstadt. Wir haben vorher auch andere Städte in Deutschland geprüft und auch an Paris oder London gedacht, aber Berlin ist der beste Platz.

Können sich die Amerikaner nicht richtig von Berlin trennen?

Auf keinen Fall. Wir sollten uns niemals aus Berlin zurückziehen. Es bleibt eine dauernde Verpflichtung. Die Rolle Amerikas ist heute in Europa keine militärische mehr. Es ist eine intellektuelle und kulturelle Aufgabe, mit unseren Wissenschaftskollegen zusammenzuarbeiten.

Wer kann an die „American Academy“ kommen?

Zum einen Wissenschaftler, die schon länger promoviert sind, zum anderen auch junge Wissenschaftler, die gerade ihren Doktor machen. Es wird niemand eingeladen, sondern jeder kann sich bewerben – aus Amerika und Europa. Es sollen aber nie mehr als ungefähr 30 Stipendiaten auf einmal da sein.

Was soll an der Akademie gemacht werden?

Die Stipendiaten aus Ost und West sollen hier zusammengebracht werden, um dann ihre Forschungen zu betreiben. Sie können hier ganz frei ihre eigenen Projekte verfolgen und wir hoffen, daß sie informell mit den Berliner Einrichtungen und Universitäten zusammenarbeiten können. Es wird auch Seminare und internationale Kongresse geben und ein Publikationsprogramm, in dem über die Ergebnisse berichtet wird. Die Stipendien dauern von zwei bis zu sechs oder auch neun Monaten.

Es gibt ja auch in Berlin schon diverse Einrichtungen mit ähnlichem Anspruch, zum Beispiel Austauschprogramme der Universitäten. Warum braucht man eine „American Academy“?

Ich glaube, es gibt einen Bedarf. Zum einen hat Berlin hier eine Tradition. Im 19. Jahrhundert kamen viele Wissenschaftler aus Amerika und Europa nach Berlin, um hier zu studieren. Diese Tradition wollen wir wieder aufleben lassen. Und gerade die Künste und Geisteswissenschaften sind ein Bereich, in dem solche Einrichtungen noch gebraucht werden.

Gibt es schon Stipendiums-Interessenten?

Wir werden geradezu überschüttet mit Bewerbungen. Es gibt schon hunderte Interessenten aus ganz Europa und Amerika. Und das, obwohl es noch nicht mal offiziell angekündigt worden ist. Es gibt ein großes Bedürfnis nach einer solchen Einrichtung.

Wer wird die „Academy“ finanzieren?

Wir sind vollkommen privat, wie alle amerikanischen „Oversea“-Initiativen, das heißt, wir bekommen keine Unterstützung von der Regierung. Das gibt uns Freiheit und Unabhängigkeit. Das Geld kommt von Firmen, Stiftungen und Privatpersonen. Hauptsächlich aus Amerika, auch von den Universitäten, aber es gibt auch kleinere europäische und auch deutsche Sponsoren. Wir suchen allerdings noch weiter. Welche wir bisher gewonnen haben, darf ich noch nicht sagen. Interview: Patricia Pantel