■ Schwedens Marine im Kampf gegen Nerze und Seehunde
: Jagd auf Roter Oktober

Stockholm (taz) – Der Running Gag war wirklich einer. Jahrelang jagte Schwedens Marine vermeintliche fremde U-Boote, die sich offenbar dauernd vor den geheimsten Stellen der langgestreckten Ostseeküste herumtrieben und dort spionierten. Doch seltsamerweise gelang es den eifrigen Soldaten niemals, auch nur einen der Eindringlinge zu stellen, selbst wenn scharf geschossen und sogar mit Wasserbomben geworfen wurde. In den schwedischen Zeitungsredaktionen fiel es zunehmend schwer, nicht ständig neue Glossen über die mißlungenen U-Boot-Jagden zu schreiben, und ganz gläubige SchreiberInnen ergingen sich in Vermutungen, warum auch Jelzins Marine offenbar nicht aufhörte, schwedische Hoheitsgewässer zu verletzen.

„Jetzt haben wir sie bald“, verkündete Oberbefehlshaber Bengt Gustafsson stolz auf einer Pressekonferenz im Feburar 1993: „In einigen Monaten wissen wir, wen wir bekämpfen.“ Es sollte noch einige Monate länger dauern, und die Wahrheit ist peinlicher als vermutet. Letzte Woche mußte das Verteidigungsministerium zugeben, daß man jahrelang Nerze und Seehunde gejagt hatte. 1991 hatte die Marine vor ihren Stützpunkten technisch neu entwickelte, automatische Abhöranlagen installiert, um mögliche Eindringlinge nicht erst wie bisher durch zufällige Beobachtungen, sondern systematisch entdecken zu können. Und siehe da: Die angeblichen Verletzungen der Hoheitsgewässer schnellten dramatisch in die Höhe – trotz des Ende des Kalten Kriegs.

Für 1992 konnte der Oberbefehlshaber die Notwendigkeit eines schlagkräftigen Küstenschutzes mit einer wahren Geräusche-Show begründen: PolitikerInnen und JournalistInnen wurden seltsam anmutende Geräusche vorgespielt, aus denen die Marineexperten das Geräusch von Schrauben und Raupenketten (!) angeblicher Kleinst-U-Boote sowie Funkverkehr und menschliche Laute aus U-Booten herausgehört haben wollten. Von einem „internationalen technischen Durchbruch“ bei der U-Boot-Jagd sprach der stolze Oberbefehlshaber Gustafsson, von „unübertroffen guten Geräuschbeweisen“. Angesichts solcher Beweise lockerte Stockholm die bislang geltenden Beschränkungen für Waffeneinsatz gegen vermeintliche unterseeische Eindringlinge.

Am 13. September 1992 fand dann unweit Stockholm zwischen den Schäreninseln das reinste Kriegsspiel statt, das im Einsatz von Torpedos und Wasserbomben gegen ein angeblich fremdes U-Boot gipfelte. Doch kein Ölfleck, keine Wrackteile trieben an die Oberfläche. Nur Bodenschlamm und tote Fische.

Daß auch unter einer Militärmütze ein kluger Kopf stecken kann, bewies vor einigen Monaten ein neu zur U-Boot-Abwehr gestoßener Offizier, der lange andächtig im Geräuscharchiv herumhörte und dann mit Mikrophon und Tonband ins Meerwasseraquarium verschwand. Was er dort unter Wasser aufnahm, ähnelte verblüffend den Geräuschen des „internationalen technischen Durchbruchs“. Kommandeur Håkan Neckman, Chef der U-Boot-Jagdabwehr in den Jahren 1990 bis 1992, gestand zerknirscht ein: „Wir hatten wirklich großes Vertrauen zu diesen Geräuschen.“ Doch ein Vergleich quer durch das Tonbandarchiv von 1991 bis Sommer dieses Jahres, als die bislang letzte U-Boot-Jagd stattfand, läßt laut Pressechef Owe Wagermark vom militärischen Hauptquartier keinen Zweifel offen: „Es waren immer dieselben Geräusche, und wir werden jetzt systematisch alle Zwischenfälle zurückanalysieren, soweit es Tonbandmitschnitte gibt. Und es sieht vorwiegend nach Nerz aus.“ Reinhard Wolff