■ Christen wollen eigenen Rundfunksender gründen
: Gott around the clock

Bonn (taz) – „Fühlen Sie sich durch die heute ausgestrahlten Hörfunkprogramme hinreichend informiert über die Arbeit im Vatikan und das Wirken des Heiligen Vaters?“ Provokativ legt der Verein „Katholiken im Rundfunk“ den Finger in die Wunde. Um dem „in den Massenmedien geformten Meinungsjournalismus“ die wahre Lehre entgegenzusetzen, soll „Radio Campanile“ demnächst „ein christliches Grundverständnis innerhalb eines 24stündigen Radioprogramms“ vermitteln, und zwar im gesamten deutschsprachigen Europa.

Die kirchlichen Vertreter in den Aufsichtsräten öffentlich-rechtlicher Anstalten sind damit offenbar überfordert. So sieht es zumindest der Essener Unternehmensberater Richard Arens, Vorstandsmitglied im Verein „Katholiken im Rundfunk“: „Es gibt ein Defizit in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die immer stärker bemüht sind, religiöse und theologische Themen sehr verzerrt und einseitig darzustellen.“

Die Mission von „Radio Campanile“ liegt auf der Hand: Der Christen-Funk will nichts weiter als „die Wahrheit verbreiten und verteidigen“, wie es das „Konzilsdekret über die sozialen Kommunikationsmittel Inter mirifica“ 1971 forderte, denn „die Skandal- und Lügenpresse muß durch die gute Presse bekämpft werden“ (Papst Johannes XXIII.). Hierzulande befindet sich die Wahrheit im Besitz des Wirtschaftsrates der CDU, weswegen „Radio Campanile“ bei der Christenpartei bereits in Sachen Sponsoring vorstellig wurde. Schließlich mahnte schon das Zweite Vatikanische Konzil „die in Wirtschaft und Technik einflußreichen Persönlichkeiten dringend, diese Werkzeuge mit ihren finanziellen Beiträgen und ihrer Erfahrung bereitwillig zu unterstützen, soweit sie wahrer Kultur und dem Apostolat dienen.“ Und Wasser in Wein verwandeln vermag der fromme Verein noch nicht, der neben viel Gottvertrauen rund acht Millionen Mark Startkapital benötigt. An der Kollekte für den Verkündigungsfunk beteiligen sich bislang die „Gemeinschaft Katholischer Soldaten“, „Kirche in Not“, das „Katholische Militärbischofsamt“ und der „Bund katholische Unternmehmer“, die dem 400 Mitglieder starken Verein derzeit das Bonner Büro finanzieren.

Die katholische Kirche hingegen hält sich bedeckt. Man verfolge das Projekt „mit Interesse, aber skeptisch“, verlautet aus dem Kölner Erzbistum. In den Augen der Klerikal-Profis hat ein Sender mit reinem Wortprogramm wenig Chancen: „Sollte die Sache klappen, wären wir angenehm überrascht.“ Dabei schließen die ehrgeizigen Funker des Herrn bereits etliche Kompromisse mit dem Zeitgeist, um den Trend vom Dudelfunk zum Bibelfunk einzuläuten: Während sich etwa die Hardcore-Bekenner von „Radio Maria International“, einem ähnlich ambitionierten Privatprojekt im bayerischen Balderschwang, in der Haupsache mit Live-Gottesdienstübertragungen und Gebetszeiten die endgültige Jesus-Dröhnung besorgen, hat „Radio Campanile“ auch Werbung, Sport, Wetter, Nachrichten und Verkehrsfunk auf Lager. „Selbstverständlich werden wir bei der Auswahl der Werbung auch christliche Werte anlegen“, erklärt Vereinsvorstand Arens zu der Frage, ob denn auch Telefon-Sex-Unternehmen über „Radio Campanile“ ihre Dienste werden feilbieten dürfen.

Schon im Oktober will der gottesfürchtige Verein eine Sendelizenz beantragen – für eine Digital- Frequenz. „Die technische Revolution“, verkündet der Geschäftsführer in einem Rundschreiben seinen Gefolgsleuten, „ist nicht mehr aufzuhalten. Machen wir das Beste daraus!“ Bernd Neubacher