Sind wir machtlos dagegen?

■ betr.: „Ich rede und schreibe Frak tur“, taz vom 30.8.1994

Der Fall des Oberstudienrates Witzsch ist ja leider nur einer von Dutzenden, wenn nicht von Hunderten.

Aber sind wir eigentlich machtlos dagegen? Gibt es nicht überzeugende Beweise, unzweifelhafte Zeugenaussagen, amtliche Dokumente dazu — in deutschen, israelischen, polnischen, russischen, amerikanischen Archiven? Bei Simon Wiesenthal?

Wäre es nicht eine dringende Aufgabe, dem einmal gründlich nachzuforschen, es zu veröffentlichen und es den unverbesserlichen Witzschs und Genossen unter die Nase zu reiben und um die Ohren zu hauen? Eine Aufgabe zum Beispiel auch für die „taz“?

Das ganze deutsche Volk hat damals die unübersehbaren Signale des Grauens nicht sehen und nicht wahrhaben wollen – „Arisierung“, Reichskristallnacht, Deportation der Juden, ganz abgesehen von den unmißverständlichen Hetzreden der Naziführung. Es hat diese Zeichen verdrängt, um nichts dagegen unternehmen zu müssen.

Schlimm genug: Jeder von uns Deutschen muß daher heute mit der Schuld des Holocaust leben – gleichgültig ob er als Zeitzeuge unwissentlich an diesem Verbrechen beteiligt war oder ob er die Schuld als Nachfahre nur „geerbt“ hat.

Aber wollen wir uns heute wegen dieser unverbesserlichen Nazis aufs neue vor aller Welt schämen müssen? Dietrich Freiherr von Loe,

Königstein