Amtsposse mit Nachspiel

Klage gegen Verbot des Aufklebers „Nazis ins Museum“ auf Droschken / Behörde will drohende „Gefahr für das öffentliche Interesse“ abwenden  ■ Von Frank Kempe

Zerstochene Reifen, Dellen im Kotflügel, abgebrochene Antennen oder Schmierattacken aus der Sprühdose – mit rabiaten Reaktionen aus dem rechten Lager hatten die Fahrer des Kreuzberger Taxi- Kollektivs NeTaKo gerechnet, als sie im März vergangenen Jahres den Aufkleber „Nazis ins Museum“ an die Türen ihrer Droschken pappten. Doch aus dem rechten Lager regte sich gegen die antifaschistische Aktion der Chauffeure kein Widerstand, nicht einmal Lackkratzer mußten sie beklagen.

Dafür aber wieherte der Amtsschimmel: Das Landeseinwohneramt (LEA), das die Aufsicht über das Taxigewerbe führt, zog den Aufkleber nach monatelangem Papierkrieg im November endgültig aus dem Verkehr. Begründung: Der Klebestreifen mit den Karikaturen rechter Hohlköpfe und der darunter plazierten Forderung „Nazis ins Museum“ habe einen polemischen, politischen Inhalt und sei nach der Betriebsordnung deshalb unzulässig. „Zur Abwendung einer konkreten Gefahr für das öffentliche Interesse“ müsse der Aufkleber entfernt werden.

Die Amtsposse wird ein Nachspiel vor dem Verwaltungsgericht Berlin haben – die Frage ist nur, wann. Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele, der für das Taxi- Kollektiv die Klage gegen den Bescheid führt, rechnet nicht damit, „daß sich in diesem Jahr noch etwas tut“. Eine mögliche gerichtliche Aufhebung des seiner Auffassung nach rechtswidrigen Verbots könne durchaus Jahre dauern. Bis dahin allerdings bleiben die Taxi-Kollektivisten mit ihrer Aktion ausgebremst. Dabei liegt die Sache für Ströbele auf der Hand: Das Verbot verletze die Grundrechte der Kläger auf freie Meinungsäußerung sowie auf freie Darbietung und Verbreitung von Kunst. Das zuständige Referat für Fahrerlaubnisse und Personenbeförderung, meint der Anwalt mit Blick auf die haarsträubende Begründung, habe sich hier schlicht „vergaloppiert“.

Milde ausgedrückt, zeigten die Apparatschiks doch glatt ein Herz für Nazis: Fahrgäste anderer politischer Anschauung, hieß es voller Sorge im Bescheid, könnten eine politisch kenntlich gemachte Taxe meiden und mithin ihr Beförderungsmittel nach sachfremden Erwägungen auswählen. Dadurch würden politisch gekennzeichnete Taxen nicht mehr allen Fahrgästen zur Verfügung stehen. Letztlich aber fürchtet das LEA offenbar den Bürgerkrieg am Taxistand: Denn Aufkleber dieser Art könnten „Anlaß zu Auseinandersetzungen zwischen Taxifahrern einerseits und Taxifahrern und Fahrgästen andererseits werden“. Es gelte jedoch, „Aggressionen“ und „Inakzeptanz“ zu verhindern und ferner zu gewährleisten, „daß das politisch neutrale Gesamtbild aller Berliner Taxen ein Aushängeschild für alle Berliner und die Gäste der Stadt bleibt“. Sprich: Widerstand von Taxifahrern gegen Rechtsextreme ist unerwünscht – im Namen der „heiligen“ Betriebs- und Verkehrssicherheit.

Als die 17 Taxi- Kollektivisten nicht sofort spurten, bekamen sie die Pistole auf die Brust gesetzt: Nach dem Personenbeförderungsgesetz, hieß es geharnischt von amtlicher Seite, könne die Behörde dem Unternehmen die Lizenz entziehen, falls dieses sich nicht fügen sollte. Zähneknirschend gaben die Droschkenlenker, die Zeichen gegen die Gewalt von rechts setzen wollten und dafür den Karikaturisten Tom engagierten, klein bei. „Die Existenz aller Mitarbeiter stand auf dem Spiel“, sagt Frank Wolter, der ein solch „massives Auftreten“ der Behörde nicht erwartet hatte. Seine Schwierigkeiten damit hat auch Horst Alex, zweiter Vorsitzender der Berliner Taxi-Innung. Es sei doch „der Wille der ganzen Welt, daß es Nationalsozialismus nie wieder geben darf“, Nazis also ins Museum gehörten.

Anwalt Hans-Christian Ströbele hält die einschlägigen Bestimmungen der Betriebsordnung für „unzulässige politische Zensur“. Während diese in Paragraph 26 politische Werbung an Taxen verbiete, gestatte sie den obersten Landesbehörden in Paragraph 43, Ausnahmen zu genehmigen. Damit werde dem Senat die Möglichkeit eingeräumt, ihm genehme politische Aussagen auf Taxen zu erlauben und nicht regierungskonforme zu verbieten. So wie im Februar 1993, als Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) den Aufkleber „Berlin 2000 – Wirtschaft für Olympia“ an Taxen erlaubte – trotz des heftigen Widerstands in der Bevölkerung gegen die Olympia-Bewerbung.

Dieser Aufkleber, meint dagegen der Sprecher des Verkehrssenators, Tomas Spahn, sei genausowenig politisch wie etwa der Klebestreifen „Mein Freund ist Ausländer“, dessen Verwendung auf Taxen ebenfalls genehmigt worden war. „Eine rein humanitäre Sache.“ Im Gegensatz dazu sei der Slogan „Nazis ins Museum" politischer Natur. Würde er erlaubt, sei ein Präzendenzfall geschaffen, auf den sich andere berufen könnten, befürchtet Spahn. Beispielsweise mit „Sozis auf den Mond“ oder „CDU in die Wüste“.