Flexibles Arbeitsamt

Private Arbeitsvermittlung belebt das Geschäft / Vorteile für qualifizierte Arbeitskräfte und Akademiker  ■ Von Anja Dilk

Seit fünf Jahren betreibt Klaus Tappe ein Büro für Ingenieurdienstleistungen. Bisher erstellte sein Team technische Dokumentationen und Konstruktionspläne. Manchmal lieh der Chef seine technischen ZeichnerInnen und IngenieurInnen an die Kunden aus – für einzelne Projekte und im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Seit Ende August nun vermittelt „Tappe Engineering Services“ auch Jobs.

Als erster Betrieb in Berlin erhielt das Ingenieursbüro eine Lizenz vom Landesarbeitsamt. Denn mit dem Anfang August in Kraft getretenen neuen Beschäftigungsförderungsgsetz ist das Monopol der Arbeitsämter für die Arbeitsvermittlung gefallen. Über 500 Anfragen von InteressentInnen, die in die private Arbeitsvermittlung einsteigen wollen, sind beim Arbeitsamt eingegangen. Wer fachliche Eignung, persönliche Zuverlässigkeit, außerdem geordnete Vermögensverhältnisse und angemessene Geschäftsräume vorweisen kann, darf in das Gewerbe einsteigen.

Daß die privaten Arbeitsvermittler die Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessern können, wird allerdings von vielen bezweifelt: „Uns fehlen Arbeitsplätze, nicht Vermittler“, so Petra Meier vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg.

„Tappe Engineering Services“ dagegen sieht optimistisch in die Zukunft. Zunächst will sich die Gesellschaft vor allem um technische Angestellte kümmern. In diesem Bereich hat das Unternehmen das größte Know-How, um Kunden und Bewerber sachkundig zu beraten. „Wir können für Firmen, die Mitarbeiter suchen“, meint Klaus Tappe, „einfach besser und gezielter auswählen als die oft überlasteten Arbeitsämter.“ Und auch für die Arbeitnehmer verspricht Tappe sich Vorteile: „Weil wir uns mehr Zeit als die Arbeitsämter nehmen und die Bewerber immer zum persönlichen Gespräch einladen, lernen wir sie besser kennen.“ Arbeitssuchende, die wegen ihrer mäßigen schriftlichen Unterlagen zunächst einen schlechten, im Gespräch dann aber einen guten Eindruck machten, könnten eher vermittelt werden, hofft das Unternehmen. Die Resonanz auf das Angebot seiner privaten Vermittlung sei enorm. „Seit wir die Lizenz erhalten haben“, so Klaus Tappe, „steht das Telefon nicht mehr still.“

Die Gewerkschaften sind skeptisch, ob die privaten Arbeitsvermittler die Interessen der Arbeitnehmer ausreichend berücksichtigen. „Es besteht die Gefahr, daß Arbeitslose zu schlechten Bedingungen vermittelt werden“, meint Petra Meier vom DGB, „zum Beispiel in Unternehmen, die untertariflich bezahlen.“ Im Extremfall sei sogar denkbar, daß die Vermittler Arbeitssuchenden, die dringend auf einen Job angewiesen seien und dementsprechend unter Druck stünden, unter der Hand zusätzliche Vermittlungsgebühren abknöpften.

Die privaten Jobvermittler werden sich wohl in erster Linie auf die qualifizierten Arbeitssuchenden stürzen. Denn im Gegensatz zum Arbeitsamt können sie sich ihre Klientel aussuchen. „Die Umlaufgeschwindigkeit bei der Besetzung von Facharbeiterstellen erhöht sich“, meint Melanie Nassauer vom Landesarbeitsamt Berlin. „Auch für manche Akademiker wird durch die Privatvermittler die Situation möglicherweise etwas leichter.“ Der DGB fürchtet jedoch, daß es durch die Jagd auf die qualifizierten und spezialisierten Arbeitskräfte zur Abwerbung von Fachkräften kommt, was vor allem auf Kosten kleinerer und mittlerer Unternehmen ginge.

„Für die Minderqualifizierten wird sich die Situation vermutlich verschärfen,“ schätzt Monika Heidig von der Jobbörse in Kreuzberg. Seit fünf Jahren vermittelt die gemeinnützige Einrichtung Stellen an arbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene. Die Jobbörse versucht, gerade Jugendliche, die sich gegen die Regelarbeitszeit wehren, über Teilzeitangebote in Kontakt zur Arbeitswelt zu halten: Lobbyarbeit für schwer Vermittelbare.

„Wenn die privaten Vermittler möglicherweise auch gut qualifizierte Arbeitssuchende mit langer Berufserfahrung auf Hilfsjobs vermitteln“, fürchtet Heidig, „bleiben schlechter qualifizierte Jugendliche auf der Strecke.“ Die Jobbörse will daher zwei weitere Büros mit einer Marketingabteilung einrichten, durch die verstärkt Arbeit aquiriert werden soll.

So dominiert unter dem Strich zwar die Skepsis, doch Monika Heidig hält auch positive Wirkungen der privaten Vermittlung für möglich: „Konkurrenz ist halt immer gut, weil einfach reagiert werden muß.“ Das Arbeitsamt erhalte dadurch Ansporn. In der Tat: Ein computergestützter Stellen-Info- Service, mit dem sich Arbeitssuchende jederzeit selbständig über freie Posten und die entsprechenden Firmen informieren können, wurde bereits eingerichtet. „Außerdem ist unser Verhältnis zum Arbeitsamt jetzt besser geworden“, sagt Heidigs Kollegin Marianne Meiers. „Erstmals hat das Arbeitsamt von sich aus das Gespräch mit uns gesucht. Die werden flexibler.“