Lobbyarbeit auf den Gängen

Auf der Weltbevölkerungskonferenz sind 4.200 Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen anwesend / Verkürzung des Themas auf die Frage der Abtreibung kritisiert  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Der Rundbau scheint symptomatisch: Tatsächlich drehen sich die Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wenige Meter von der offiziellen Lokalität der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo entfernt in vielerlei Hinsicht im Kreis. Ihre 4.200 Vertreter zirkeln um das große überdachte Stadion der ägyptischen Hauptstadt, wo so unterschiedliche Organisationen wie die „Internationale Gesellschaft für das Recht auf Leben“, „Chatolics for Pro-Choise“ bis hin zu Basis-Entwicklungsorganisationen wie der Kairoer „Gesellschaft für Abfallsammlung“ versuchen, ihre Arbeit darzustellen.

Ebenfalls im Kreis drehen sich seit einigen Tagen die Diskussionen um das Thema Abtreibung. Zwar reden alle Anweseden vom „8.25“, dem entsprechenden Paragraphen des Aktionsprogrammes, das nun seit fünf Tagen auf der gegenüberliegenden Seite der Straße heiß diskutiert wird. Auch treffen sich jeden Morgen Vertreterinnen aller Frauenorganisationen zu einer Zusammenfassung der Diskussion, die am Vortage auf der offiziellen Konferenz geführt wurden. Doch die geplante Diskussion neuer Strategien im Anschluß bleibt meist aus.

So äußerten bei dem gestrigen Treffen viele Frauen aus dem Süden ihre Unzufriedenheit darüber, daß das Thema Abtreibung von der offiziellen Konferenz und von den Medien zum zentralen Thema gemacht wurde. Denn ihrer Meinung nach werden dadurch Themen wie Entwicklung oder Migration immer wieder ausgeklammert. So ist etwa der Streit, ob Migranten das Recht auf Familienzusammenführung haben sollten, auch in der NGO-Konferenz untergegangen. Gegenüber, bei der offiziellen Konferenz, sind es vor allem die Länder des Nordens, die das Wort „Recht“ durch einen laxeren Begriff ersetzt haben wollen. Und damit, so befürchten die Repräsentantinnen aus dem Süden, den gesamten entsprechenden Paragraphen im Aktionsprogramm kippen könnten.

Überhaupt sollte sich die Diskussion für die meisten NGOs aus Asien, Afrika und Lateinamerika vielmehr um Entwicklung drehen als um Abtreibung. „Wir reden hier dauernd über Abtreibung und nicht über unser Recht auf medizinische Versorgung und Gesundheit“, erklärte die Repräsentantin einer Basisorganisstion aus Tansania. „Warum ist Abtreibung das zentrale Thema, während Fragen der Erziehung viel wichtiger für uns sind“, fragte auch ihre Kollegin aus Sambia. „Eigentlich“, sagt Elizabeth Mokoting, eine Vertreterin einer südafrikanischen Frauenorganisation, sollte die offizielle Konferenz nicht „Internationale Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung“ heißen, sondern genau anders herum. „Dafür“, so Mokoting, „sind wir hierher gekommen.“

Der Vorwurf, die Tagesordnung sei zu sehr vom Norden bestimmt, wird immer lauter. Das wurde auch auf der gestrigen Pressekonferenz aller Frauengruppen noch einmal deutlich. Vertreterinnen des Südens wollten erneut das Thema Entwicklung oder Migration auf die Tagesordnung bringen. Statt dessen endete die Konferenz in einem Schreiwettbewerb vornehmlich US-amerikanischer Abtreibungsbefürworter und -gegner und mußte am Ende aufgelöst werden.

Auch die Marry Beach Powers, die Vorsitzende des UN-Planungskomitees, mokiert, die Eingrenzung der Diskussionen. Dies sei auch ein Fehler der anwesenden Journalisten. „Wenn sie sich nur darauf konzentrieren, über die Antwort des Vatikans auf die offizielle Konferenz zu berichten, dann gehen andere Probleme verloren“, so die UN-Vertreterin. Dabei sei es eigentlich wichtiger, der Verbindung zwischen Bevölkerung, Entwicklung und Umwelt weitere Aufmreksamkeit zu schenken. Trotzdem sieht Powers das NGO-Treffen bisher als Erfolg – und sei es nur aufgrund der schieren Anzahl der Anwesenden.

In den letzten Monaten waren es gerade die NGOs, die auf die Ausarbeitung des jetzt in der offiziellen Konferenz diskutierten Aktionsprogramms maßgeblich Einfluß hatten. Zwar wurde dieser Einfluß seit Beginn der Konferenz mehr eingeschränkt, dennoch versuchen bis in diese Tage hinein viele NGO-Vertreter auf den Gängen des Stadions, vor allem auf die Delegierten ihrer nationalen Delegationen Einfluß zu nehmen. Einzelne von ihnen, die auch Zugang zur offiziellen Konferenz haben, versuchen, auf den Gängen Lobbyarbeit zu betreiben und Vorschläge für alternative Formulierungen im Aktionsprogramm zu machen. Manche der offiziellen Delegationen, wie die USA, Großbritannien, Schweden und Indien, halten sogar täglich Treffen mit ihren nationalen NGOs ab.