Tirana: Hohe Haftstrafen für griechischstämmige Albaner

■ Athen beordert Truppen an die Grenze

Berlin (taz) – Die Beziehungen zwischen Albanien und Griechenland haben einen dramatischen Tiefpunkt erreicht. Nachdem am Mittwoch abend ein Gericht in Tirana fünf Angehörige der griechischen Minderheit im Süden des Landes wegen Spionage und Waffenschmuggels zu Haftstrafen zwischen sechs und acht Jahren verurteilt hatte, zog Athen gestern an der Grenze zu Albanien schwere Truppenverbände zusammen. Angeblich nur, um die weitere „illegale Einwanderung“ Zehntausender von Albanern zu verhindern; in den letzten Wochen hatte Griechenland bereits über 30.000 der insgesamt schätzungsweise 300.000 illegal eingereisten Albaner abgeschoben. Aus Protest gegen das Urteil rief die Regierung in Athen außerdem ihren Botschafter in Tirana zurück und blockierte die Auszahlung von EU-Finanzhilfen in Höhe von 40 Millionen Mark an Albanien. Nach Ansicht internationaler Menschenrechtsorganisationen war der Prozeß eine Farce. Nicht nur seien die Angeklagten ohne Haftbefehl festgesetzt worden und hätten keine Verteidiger ihrer Wahl erhalten. Dem in Wien ansässigen Menschenrechtskomitee Helsinki Föderation zufolge sind auch Vorwürfe aufklärungsbedürftig, wonach Geständnisse durch Mißhandlungen erwirkt worden seien.

Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die Angeklagten Verbindungen zum griechischen Geheimdienst unterhalten hätten. Am 10. April waren die fünf Mitglieder der politischen Vereinigung der griechischen Minderheit in Albanien, „Omonia“, nach einem Angriff auf eine Kaserne nahe der Grenze festgenommen worden. Dabei waren zwei Soldaten getötet und mehrere verletzt worden. Diese Aktion bildete nach Auffassung der Staatsanwaltschaft und der albanischen Medien den Auftakt zum „bewaffneten Kampf“ gegen Albanien. Karl Gersuny Seiten 9 und 10