Absolute Zahlen verschleiern die Realität

■ 400.000 Japaner brauchen so viel Energie wie 70 Millionen Äthiopier

Kairo (taz) – Die Umweltgruppen auf der Kairoer Konferenz der Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind zufrieden. Die Ergebnisse ihrer nationalen Delegierten bei der offiziellen Weltbevölkerungskonferenz seien „ermutigend“. Es sei eine Premiere, daß Bevölkerungswachstum, wirtschaftlicher Fortschritt, nachhaltige Entwicklung und Fragen der Umwelt in einem UN-Dokument miteinander verbunden wurden, lobte John Izzo, der Sprecher der US-amerikanischen NGOs.

Über hundert Umweltgruppen sind auf dem Kairoer NGO-Forum vertreten. Wir sind hier, um die Umweltkonferenz von Rio vor zwei Jahren einen Schritt weiter zu führen, faßte die Organisatorin des Umweltplenums, Liesanne Nelson, den wichtigsten gemeinsamen Nenner aller vertretenen Umweltgruppen zusammen.

In ihrer Erklärung an die Presse betonten sie, daß das Problem der Bevölkerung nicht einfach eine Frage der absoluten Zahl sei, sondern in erster Linie der Auswirkungen, die die Menschen auf die Umwelt hätten. Der Bevölkerungswachstum in den Industrieländern mag niedrig erscheinen, „aber deren Verbrauch von Ressourcen liegt weit über dem der Entwicklungsländer.

Kein Nord-Süd-Konflikt zwischen NGOs

Die 400.000 Menschen, die in Japan geboren werden, verbrauchen genausoviel Energie wie 70 Millionen zusätzliche Äthiopier“, rechneten die NGO-Vertreter vor. „Die Zeiten sind vorbei, als der vorherige US-Präsident George Bush sagen konnte, daß das Konsumverhalten und der American way of life nicht zur Diskussion ständen“, stellte jemand beim Morgenplenum fest und erntete Applaus. Die Gruppen fordern deshalb konkrete Maßnahmen der Industrieländer, damit der Konsum dort sinkt. Eine gesunde Umwelt habe für die Menschheit einen höheren Wert als ökonomischer Nutzen, konstatieren sie. Trotzdem stand in Kairo bei den Umweltgruppen der Nord-Süd-Konflikt nicht, wie bei den Frauengruppen, zwischen den verschiedenen NGOs. „Das liegt vielleicht daran, daß wir uns sehr auf unsere Gemeinsamkeiten besonnen haben, da wir alle Angst hatten, daß die Umweltprobleme auf dieser Weltbevölkerungskonferenz unterrepräsentiert werden“, erklärte Izzo.

Im übrigen seien sich immer mehr Umweltgruppen im Norden darüber im klaren, daß die Frage des überhöhten Konsums nun endlich angegangen werden müsse. Die Unterschiede zwischen Umweltgruppen im Norden und Süden werden also immer kleiner, fügte er hinzu.

Zufriedenheit mit offiziellen Delegierten

Die meisten NGO-Vertreter zeigten sich zufrieden über die Zusammenarbeit mit den nationalen Delegierten auf der offiziellen Konferenz. Vor allem die Delegation aus den USA erntete Lob. Auch mit Europa und Lateinamerika habe die Kooperation gut geklappt. Die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Regierungen habe noch nicht die gleiche Dynamik erreicht. Alle sind sich darüber einig, daß es weitgehend von den NGOs abhängen wird, wie nach der Bevölkerungskonferenz die Formulierungen des neuen UN-Dokumentes tatsächlich verwirklicht werden. Eine der größten Lücken sei, daß es keine Instrumente gibt, in denen Staaten über ihre nachhaltige Entwicklung Rechenschaft ablegen müssen, kritisiert John Izzo den bisherigen Stand der Weltkonferenzen von Rio bis Kairo. Karim El-Gawhary