Eiliger Abschied von den Afrikanern

■ Nach taz-Veröffentlichung reist die Bevölkerungswissenschaftlerin Charlotte Höhn aus Kairo ab

Berlin (taz) – Eilig kehrt Charlotte Höhn nach Deutschland zurück. Die Bevölkerungswissenschaftlerin habe, so heißt es in einer Erklärung des Bundesinnenministeriums von gestern abend, den Leiter der deutschen Delegation bei der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo darum gebeten, vorzeitig abreisen zu dürfen. In Deutschland wolle sie rechtliche Schritte „gegen die ihr unterstellten Vorwürfe“ unternehmen, heißt es in der Erklärung. Höhn sei darüber hinaus „als beamtete Leiterin des dem Bundesinnenministerium unterstellten Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung ersucht worden, dem Ministerium unverzüglich eine förmliche dienstliche Erklärung mit der vollständigen Darstellung des Sachverhalts zum Zwecke einer abschließenden Beurteilung der Angelegenheit vorzulegen.“ Das ist ein klarer Rückpfiff.

Höhn war in die Kritik geraten, nachdem die taz am vergangenen Samstag Auszüge aus einem Interview mit der Wissenschaftlerin veröffentlicht hatte. Darin hatte Höhn darüber geklagt, daß man nicht mehr sagen dürfe, daß Afrikaner eine niedrigere Intelligenz hätten als andere. Zunächst hatte Höhn gestern versucht, sich in einer persönlichen Erklärung zu verteidigen, die in Kairo verbreitet wurde. Darin schreibt sie, sie halte den Nachweis von Intelligenzunterschieden „schon aus methodischen Gründen“ für absurd und habe sich eine solche Position „persönlich nicht zu eigen gemacht“. Die Tonbandaufnahmen, die Grundlage der taz-Veröffentlichung waren, geben dieser Erklärung unrecht. Darin sagte sie, gefragt nach den Unterschieden zwischen Völkern: „Es ist leider statistisch nachweisbar. Ich weiß zwar, daß man das heutzutage nicht mehr sagen darf. Das ist eigentlich sehr schade.“ Nachfrage: „Was ist nachweisbar?“ Höhn: „Daß es zum Beispiel Unterschiede in der Intelligenzverteilung gibt.“ So erscheinen ihre jetzigen Ausführungen als reine Schutzbehauptungen von jemandem, der unter Druck geraten ist.

Dieser Druck war gestern stärker geworden. SPD-Spitzenkandidat Rudolf Scharping forderte, Höhn sofort abzuberufen. Die Äußerungen der Wissenschaftlerin nannte Scharping „die Wiederbelebung eines Gedankengutes, das die Verachtung gegenüber Schwächeren zeigt und dessen Wurzeln in einer unseligen Vergangenheit zu suchen sind“. Scharping forderte Innenminister Kanther (CDU) auf, sofort einzugreifen. Aus dem Innenministerium jedoch wurde zunächst lediglich auf die bereits am Mittwoch verbreitete Erklärung verwiesen, es gebe „keine Veranlassung“, Höhn aus der Delegation auszuschließen.

Der SPD-Justizexperte Wilfried Penner will den Innenausschuß des Bundestages über den Fall Höhn beraten lassen. Die Angelegenheit „kann man nicht auf sich beruhen lassen“, sagte Penner der taz. Dabei müsse auch die gesamte Arbeit des von Charlotte Höhn geleiteten Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschung durchleuchtet werden.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte Pressesprecher Heinz Suhr die Abberufung von Charlotte Höhn und den Rücktritt von Innenminister Manfred Kanther. „Die politische Verantwortung für die skandalöse Zusammensetzung der Kairoer Delegation“, so Suhr, „trägt Innenminister Manfred Kanther.“ Kanther sei damit „untragbar geworden“.

Im ARD-Morgenmagazin hatte Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland gegen die Ausführungen der Wissenschaftlerin protestiert. „Diese Über- und Unterordnungsphilosophie, pseudowissenschaftlich verpackt, ist unerträglich“, sagte Friedman. Der Zentralratsvorsitzende Ignatz Bubis setzte die Äußerungen Höhns in Zusammenhang mit einem „neuen Extremismus“ bei deutschen Intellektuellen.

Auch die SPD-Europaabgeordnete Jannis Sakellariou hatte die Abberufung von Charlotte Höhn und „eine umgehende, offizielle und überzeugende Entschuldigung der Bundesregierung“ gefordert. Bernd Pickert Siehe auch Seite 7