■ Zu den Landtagswahlergebnissen
: Personen statt Parteien

Absolutistische Mehrheiten in Sachsen und Brandenburg. Stolpe und Biedenkopf — beide sind bei den gestrigen Landtagswahlen nicht einfach nur ihrer Favoritenrolle gerecht geworden, beiden gelang es auch, die Konkurrenz schlichtweg zu marginalisieren. Für Biedenkopf bleibt alles wie gehabt.

Er regiert weiter alleine, wie künftig auch Stolpe, der seine Ministerpräsidentschaft 1990 noch auf eine Ampelkoalition gründen mußte. Diemal gab es in Brandenburg erdrutschartige Verschiebungen zwischen den beiden Volksparteien. Plus 16 Prozent für Stolpe, minus 10 Prozent für den desolaten CDU-Landesverband. Doch das Ergebnis der SPD in Sachsen und der CDU in Brandenburg, die sich beide knapp unterhalb der Zwanzigprozentmarke einpendeln dürften, hängt weniger mit den Defiziten der Verlierer als mit der Attraktivität der beiden Spitzenpolitiker zusammen. Beide präsentierten sich in der vergangenen Legislaturperiode erfolgreich als präsidiale Landesväter. Dennoch sind die Quellen ihrer Attraktivität höchst unterschiedlicher Natur. Stolpe hat allen Angriffen auf seine Vergangenheit auf ziemlich imponierende Art und Weise widerstanden. Erst diese identifikationsträchtige Leistung ließ seine Popularitätskurve über die Achtzigprozentmarke schnellen. Stolpe hat nicht in erster Linie von seiner Regierungsbilanz profitiert, sondern von seiner für die ehemaligen DDR-Bürger geradezu idealtypischen Rolle im Ost-West-Konflikt. Demgegenüber resultiert Biedenkopfs Dominanz aus dem offensichtlich ungebrochenen Vertrauen, der kluge, konservative West-Politiker sei am ehesten in der Lage, die Angleichung der sächsischen Lebensverhältnisse an den Westen zu erreichen. Biedenkopf scheint so etwas wie die Sonderrolle Sachsens unter den neuen Bundesländern zu repräsentieren. Das gefällt.

Die PDS kann sich auch in Brandenburg und Sachsen als dritte Kraft behaupten. Alles andere hätte überrascht. Immerhin lassen die Ergebnisse für die SED-Nachfolger die Träume nicht in den Himmel wachsen. Weder die Aufwertung durch das Magdeburger Modell noch die Anti- Kommunismus-Kampagne der Union haben der PDS neue Zuwächse beschert. Angesichts der bescheidenen Wahlbeteiligung, die die Stimmen der hochmotivierten PDS-Wählerschaft aufwerten, kein neuerlicher Triumphzug, eher schon Normalität.

Als katastrophal muß hingegen das Abschneiden der Bündnisgrünen interpretiert werden. Was sich bereits bei den Europawahlen und in Sachsen-Anhalt angedeutet hatte, realisierte sich am Sonntag. Die Bürgerrechtler im Osten haben in den letzten vier Jahren so viel an Profil verloren, daß ihre landespolitische Bedeutung langsam gegen Null tendiert. Weder können sie der PDS die Rolle als authentische Ost-Vertretung streitig machen, noch gelingt es ihnen, ökologische und bürgerrechtliche Reformvorschläge in Akzeptanz zu verwandeln. Die Rolle der Bürgerrechtler in der Gesamtpartei wird damit prekär.

Für die Bonner Entscheidung am 16. Oktober sind die Ergebnisse vom Wochenende wenig aussagekräftig. Weder der SPD noch der CDU dürfte es gelingen, ihre beiden Spitzenprotagonisten als bundespolitische Trendsetter zu verkaufen. Nur die Liberalen werden weiter, wie bisher, das Abrutschen in die landespolitische Bedeutungslosigkeit als Ausweis ihrer bundespolitischen Notwendigkeit interpretieren. Matthias Geis