Selbst die Sozis sind vom Erfolg überrascht

■ In Brandenburg stellt Stolpe einen Rekord auf / FDP und Bündnisgrüne deprimiert / Eppelmann gesteht CDU-Niederlage ein / PDS sieht Signal für Bonn

Potsdam (taz) – Nach den ersten Hochrechnungen rieben sich alle Wahlbeobachter im brandenburgischen Landtag verwundert die Augen. Mit einer absoluten Stimmenmehrheit hatten selbst die kühnsten Optimisten unter den Sozialdemokraten nicht gerechnet. Bis um 18 Uhr wurde auf den Gängen des Landtages unter den Journalisten über den zukünftigen Koalitionspartner diskutiert, dann machte schon die erste Prognose alle Spekulationen überflüssig.

Die Rollen wurden am Wahlabend schnell verteilt, die Hochrechnungen waren so eindeutig, daß Spannung nicht aufkam. Jubel bei der SPD, das kalte Buffet bei der Wahlparty war schnell abgeräumt. Der Zuwachs der Sozialdemokraten ist rekordverdächtig, und natürlich sah der Landesvorsitzende der SPD, Steffen Reiche, darin eine Bestätigung von vier Jahren erfolgreicher Regierungspolitik.

Manfred Stolpe jedoch hielt sich nicht lange bei der Einschätzung des Wahlergebnisses auf und richtete den Blick nüchtern in die Zukunft, als hätte er mit einem solchen Ergebnis schon seit langem gerechnet. „Klare Verhältnisse“ habe er angestrebt und dies sei jetzt Verpflichtung für ihn für die nächsten fünf Jahre.

Zufriedenheit bei der PDS, auch wenn die demokratischen Sozialisten nicht wie erhofft an der CDU vorbeiziehen konnte. Lothar Bisky mußte anerkennen, daß die PDS von Stolpe und Hildebrandt in Schach gehalten werden konnte. Aber den Blick nach vorn gerichtet sah der PDS-Bundesvorsitzende in dem Ergebnis der Brandenburger Wahl ein Signal für die Bundestagswahlen im Oktober.

Enttäuschung natürlich bei der CDU. Als erster traute sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Rainer Eppelmann vor die Presse und gestand die Niederlage seiner Partei ein.

Landespolitiker der CDU ließen hingegen lange auf sich warten, und mit langem Gesicht trat schließlich der geschlagene Spitzenkandidat Peter Wagner vor die versammelten Journalisten. Er kündigte an, jetzt die Konsolidierung der Christdemokraten in Brandenburg voranzutreiben.

Der Landesvorsitzende der FDP, Hinrich Enderlein, machte den Stolpe-Effekt für das „Debakel“ seiner Partei verantwortlich und zeigte sich vollkommen überrascht von dem schlechten Ergebnis für seine Partei.

Entgegen dem Trend im ganzen Land hatte Enderlein noch wenige Tage vor den Wahlen Optimismus verbreitet und ein Ergebnis von bis zu 10 Prozent für möglich gehalten. Das acht Meter lange Buffet, das die FDP in Siegerlaune am Nachmittag in ihrer Landeszentrale aufgestellt hatte, wurde schließlich zur Henkersmahlzeit.

Auch Bündnis 90/ Die Grünen kapitulierten vor dem Übervater Stolpe. Spitzenkandidatin Petra Weißflog kündigte an, man werde sich als Bürgerbewegung jetzt wieder der außerparlamentarischen Arbeit widmen.

Dort werden sie auch auf ihren Gegenspieler Günter Nooke treffen, der als Kopf seiner Einprozentpartei darüber klagte, daß im Landtag für eine unabhängige Politik kein Platz sei.

Eine vollkommen neue Erfahrung werden die bisherigen sechs FDP-Landtagsabgeordneten machen: sie werden in den nächsten Tagen das Arbeitsamt aufsuchen müssen. Christoph Seils