■ Polen: Bombenalarm als Volkssport
: Alle gegen den Gummibären

Warschau (taz) – Die erste Bombe lag auf dem Busbahnhof von Krakau und versetzte die Stadt in Angst und Schrecken, obwohl sie nicht explodierte. Bei der Bombe befand sich ein Brief, in dem 500.000 Mark gefordert wurden, sollte der Stadt daran liegen, solchen Überraschungen künftig vorzubeugen. Die Polizisten verfrachteten die Bombe auf ein Manöverfeld, wo sie ein Loch von der Größe eines Pkws hinterließ. Auf dem Busbahnhof, so erfuhr man später, hätte sie nicht explodieren können, der technisch durchaus begabte Erpresser habe vorsichtshalber das Kabel zum Zündmechanismus durchgeschnitten. Seither sucht ganz Polen den „Gummibären“, wie der Erpresser sich selbst nennt. Offenbar handelt es sich nur um ein Exemplar der ansonsten eher friedfertigen Wesen, die in Polen durch eine Zeichentrickserie bekannt wurden.

Eine Geldübergabe im Schnellzug Zakopane–Krakau scheitert, weil die Polizei zur Vorbereitung zu wenig Zeit hat. Der Gummibär meldet sich nicht mehr. Dafür bricht eine Welle falscher Bombenalarme über Krakau herein, die das Entschärfungskommando der Polizei auf Hochtouren bringt. Auf dem Busbahnhof entdeckt jemand eine verdächtige Tasche, die Polizei evakuiert den Bahnhof und jagt die Tasche vorsichtshalber in die Luft, nur um festzustellen, daß sich Bücher darin befunden haben. Einige der Witzbolde, die Krakau buchstäblich in Bombenstimmung versetzen, werden festgenommen. Ein Polizeisprecher warnt vor den Folgen: Jede Falschmeldung verursache hohe Kosten, die man eintreiben werde, bis zu zwei Jahre Knast gibt es zusätzlich. Am Ende achten die Menschen gar nicht mehr auf Alarme. Dann findet die Polizei zwei Bombenattrappen an der Krakauer Uni und auf dem Hauptbahnhof.

Mehrmals meldet sich ein Mann, der angibt, er sei der Gummibär, zieht über die Stadtverwaltung und die Politiker her und versichert, er werde niemanden in die Luft sprengen, alle seine Ladungen, die er in der Stadt versteckt habe, seien entsprechend konstruiert. Zu dieser Zeit weiß die Polizei bereits, daß der „Gummibär“ Sylwester Augustynek heißt, aus Trzebinia stammt und ein fünfzig Jahre alter Fallschirmspringer und Armeedeserteur ist, der bereits mehrere Vorstrafen auf seinem Konto hat. Um Krakau herum werden Straßensperren errichtet, mit Beschreibungen des Täters wird die Jagd eröffnet. Alle gegen den Gummibären. Nein, man könne nicht ausschließen, daß der Täter aus Wut darüber einige seiner Ladungen zünde, meint ein Polizeisprecher geheimnisvoll, „aber wir sind darauf vorbereitet“. Auch ob die Polizei die geforderte Summe übergeben hat, bleibt im dunkeln. Mehrere Bürger mit Namen Augustynek werden festgenommen, manche sehen dem Gesuchten sogar ähnlich. Doch das Original ist nicht darunter. Klaus Bachmann