Kairos Hotels entvölkern sich wieder

Die UN-Konferenz über „Bevölkerung und Entwicklung“ ging gestern zu Ende / Streit bis zum Schluß / Umsetzung und Finanzierung des „Weltaktionsplans“ sind noch völlig unklar  ■ Von Bernd Pickert

Bis zum Schluß haben sie gestritten, die 15.000 Delegierten aus 182 Ländern, die sich über eine Woche lang bei der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo versammelt hatten. Über den endgültigen Text des Weltaktionsplans für die nächsten 20 Jahre hatte sich der Programmausschuß eigentlich schon am Samstag einigen wollen, doch erst am späten Montagabend war es soweit. Der Vatikan und die islamischen Delegierten hatten weiterhin in der Abtreibungsfrage geblockt, während die Industrieländer sich vor allem darum drücken wollten, den Zuzug von Familienangehörigen von Einwanderern als Recht zu verankern.

Die Begriffe „sexuelle Gesundheit“ und „reproduktive Rechte“ sind aus dem Papier verbannt worden. Die islamischen Vertreter hielten die Erwähnung des „sexuell“ für einen Freibrief zum hemmungslosen Kopulieren, der Vatikan befürchtete, hinter den „reproduktiven Rechten“ stehe ein Freibrief zur Abtreibung.

So sind gerade die Passagen und Schlüsselbegriffe gestrichen oder verwässert worden, von denen sich viele Frauenorganisationen eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechts erhofft hatten.

Zwar war im Unterschied zur ersten Weltbevölkerungskonferenz in Bukarest 1974 unter den Regierungsdelegationen kein grundsätzlicher Dissens darüber zu vernehmen, daß das Bevölkerungswachstum gebremst werden müsse. Die Frage nach dem Bevölkerungswachstum als Ursache von Armut hatte auf den vergangenen Konferenzen stets zu scharfen Nord-Süd-Auseinandersetzungen geführt. Doch, so kritisieren zahlreiche BeobachterInnen, die Debatte über den erstmals in den Konferenztitel aufgenommenen Begriff der „Entwicklung“ sei viel zu kurz geraten. So sei zum Beispiel die Bedeutung der Ausbildung für Frauen zwar immer wieder betont worden – für die Finanzierung dementsprechender Programme gebe es aber kein Geld. Städtische Verelendung, Migrationsbewegungen, der Anteil der Industrieländer am Ressourcenverbrauch – all das blieb hinter den Kontroversen um Abtreibung und „reproduktive Rechte“ zurück. „Entwicklung“ war in Kairo Mittel zum Zweck – das Ziel aber war Bevölkerungskontrolle. Tatsächlich hatte sich insbesondere bei den westlichen Bevölkerungsplanern vor der Konferenz die Auffassung durchgesetzt, daß das Bevölkerungswachstum der Dritten Welt hauptsächlich auf eine Unterversorgung mit Verhütungsmitteln zurückzuführen sei – die vielfältigen Motive für individuellen Kinderreichtum wurden weitgehend ignoriert. Der eigentliche Wunsch der Frauen sei es, so das Credo, in jedem Falle weniger Kinder zu bekommen. Ein konkretes Ergebnis der Konferenz werden daher Millionenausgaben für Verhütungsmittel sein, die im schlimmsten Fall auch noch aus den übrigen Entwicklungshilfeetats abgezwackt werden.

Aber so recht ist noch nicht zu ersehen, was der heißumkämpfte Aktionsplan nun tatsächlich bewirken wird. Denn aus dem Plan erwachsen keinerlei konkrete Verpflichtungen; jedes Unterzeichnerland ist aufgefordert, selbst für die Umsetzung zu sorgen. Alles weitere ist dann auf nationaler Ebene eine Frage des politischen Willens, auf internationaler Ebene eine Machtfrage. Zwar werden Summen genannt, die in den nächsten zwanzig Jahren ausgegeben werden sollen, um die Ziele des Plans zu verwirklichen: Etwa 25 Milliarden Mark jährlich seien dafür aufzubringen, so die Schätzungen. Wer das Geld aber bereitstellen soll, ist unklar. Und während denkbar ist, daß Entwicklungshilfeleistungen an Dritte-Welt-Länder zukünftig von der Umsetzung der vorgesehenen bevölkerungspolitischen Programme abhängig gemacht werden, gibt es nach wie vor kein internationales Druckmittel, um auch die Geberländer zu zwingen, die von ihnen geforderten Leistungen zu erbringen.