Turbulenzen im RAF-Untersuchungsausschuß

■ Scharping vor hessischem U-Ausschuß: Mainzer Verfassungsschutz wußte nichts von Weiterstadt / Hessische CDU will Akteneinsicht vor Gericht einklagen

Wiesbaden (taz) – „Moin, allerseits!“ Der Ministerpräsident von Rheinland Pfalz, Rudolf Scharping (SPD), der im Oktober gerne Bundeskanzler werden möchte, spielte gestern den coolen Tycoon im Sitzungssaal 119 M im hessischen Landtag in Wiesbaden. Seit gut einem Jahr tagt dort der parlamentarische Untersuchungsausschuß zum Anschlag der RAF auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt. Doch die demonstrativ zur Schau gestellte gute Laune Scharpings war schnell verflogen, als der Obmann der Union, Roland Koch, begann, den als Zeugen geladenen Ministerpräsidenten zu attackieren. Im Kern ging es dabei um den von der CDU erhobenen Vorwurf, die rheinland-pfälzische Landesregierung habe dem hessischen U-Ausschuß Akten vorenthalten. Außerdem habe der Mainzer Ministerrat Innenminister Walter Zuber (SPD) nur eine begrenzte Aussagegenehmigung für den Wiesbadener U-Ausschuß erteilt.

Im Gegenzug warf ein erregter Scharping Union und FDP vor, den Ausschuß kurz vor den Bundestagswahlen als „politisches Kampfinstrument“ mißbrauchen zu wollen. Ohnehin habe ein hessischer Untersuchungsausschuß nur das Recht, sich mit hessischen Regierungsverhältnissen zu beschäftigen. Die Sitzung wurde immer turbulenter. Und der wegen angeblich verschwundener Akten ohnehin unter CDU-Beschuß stehende Ausschußvorsitzende Kurt Weidmann (SPD) war sichtlich überfordert. Fakt ist, daß der rheinland- pfälzische Innenminister Zuber vor dem Ausschuß Detailfragen nach seinem Landesamt für Verfassungsschutz, das den V-Mann Steinmetz führte, mit Verweis auf seine eingeschränkte Aussageerlaubnis abblockte. Fakt ist auch, daß die rheinland-pfälzische Landesregierung dem Ausschuß zwar Akteneinsicht gewähren will – doch nur in ausgewählte Akten.

Scharping beteuerte, sein Innenminister habe ihm versichert, aus den Akten gehe klar hervor, daß weder der Verfassungsschutz noch das Innenministerium von einem geplanten RAF-Anschlag auf Weiterstadt gewußt habe. Die Union solle sich genau überlegen, ob sie am „Wort eines Staatsministers“ zweifeln wolle. Außerdem bot Scharping den Hessen erneut die Einsicht in ausgewählte Akten an und die Vernehmung der mit Steinmetz befaßten Verfassungsschutzbeamten.

Die CDU wird sich damit allerdings nicht zufriedengeben. Sie will ein Gericht anrufen, um die Herausgabe aller Akten zu erzwingen. Scharping nahm's gelassen: Man könne sicher davon ausgehen, daß die Aufregung der CDU nach den Bundestagswahlen wieder „stark abflauen“ werde. Klaus-Peter Klingelschmitt