Doppelwahl mit doppeltem Boden

Hält Kohls Höhenflug bis zum 16. Oktober an, kippen bei der zeitgleichen Kommunalwahl in NRW auch städtische Mehrheiten / Zustimmung zur Doppelwahl aus SPD-Sicht „böser Fehler“  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) – Peter Weckmann quält nicht der leiseste Zweifel. Im Gegenteil! Daß am 16. Oktober in NRW gleichzeitig Bundestags- und Kommunalwahlen stattfinden, hat für den SPD-Geschäftsführer aus dem rot-grün regierten Krefeld „ganz viel Charme“. Weckmann hält die von der SPD-Landesregierung und dem Düsseldorfer Landesparlarment beschlossene Zusammenlegung „nach wie vor für richtig“, weil die „höhere Wahlbeteiligung günstig für die SPD ist“. Tatsächlich? Nein, diese These „war noch nie richtig“, lautet die Antwort von Manfred Güllner, Chef des Dortmunder Meinungsforschungsinstituts Forsa. Kundige Spitzensozis pflichten Güllner hinter vorgehaltener Hand bei: „Das war der größte Blödsinn, den wir seit langem gemacht haben, ein böser strategischer Fehler.“

Schon ein Blick auf die bisherigen Wahlergebnisse in NRW hätte den Sozialdemokraten möglicherweise diesen „Blödsinn“ erspart. Der behauptete starre Zusammenhang – hohe Wahlbeteiligung = gut für die SPD – läßt sich daraus nicht ablesen. Gleichwohl verbreitet auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau munter weiter, daß sich die hohe Wahlbeteiligung am 16. Oktober für die SPD „positiv auswirken“ werde. Eine solche Wertung trifft indes nur dann zu, wenn man die Kommunalwahl 1989 (Wahlbeteiligung 65,6 Prozent) mit der Landtagswahl 1990 (71,8 Prozent) vergleicht. Bei den Bundestagswahlen 1987 (85,4 Prozent) und 1990 (78,7 Prozent) ergibt sich dagegen ein völlig anderes Bild: Der eigentliche Profiteur der hohen Wahlbeteiligung war in beiden Fällen die CDU. Der Abstand zwischen SPD und CDU, der bei der Kommunalwahl 1989 noch zugunsten der SPD ein Plus von 5,5 Prozent aufwies, wuchs bei der Landtagswahl im Mai 1990 auf 13,3 Prozent an, um dann bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 auf magere 0,6 Prozent zu schmelzen. Mit den Besonderheiten der Einheitswahl hatte diese Entwicklung nur bedingt zu tun. Selbst bei der Bundestagswahl 1987, mit Johannes Rau als SPD-Kanzlerkandidaten, erzielte die SPD in Nordrhein-Westfalen nur einen Vorsprung von 3,1 Prozent gegenüber der CDU.

Warum? Die Antwort ist relativ einfach. Bei den Kommunalwahlen gelingt es beiden Großparteien nicht, ihre Wählerklientel wirksam zu mobilisieren. Manfred Güllner erklärt die Wahlenthaltung von etwa einem Drittel der CDU-Anhänger bei Landtagswahlen so: „Diese Leute wollten zwar Kohl in Bonn, aber Rau in Düsseldorf haben. Um nicht in den Zwiespalt illoyaler Stimmabgabe zu geraten, gingen sie nicht zur Wahl.“

Das Ja zur Doppelwahl: Ein Eigentor für die SPD

Ein Blick auf die absoluten Zahlen stützt diese Aussage. Während die CDU bei der Bundestagswahl (BTW) 1987 in NRW noch 4,35 Millionen Stimmen erzielte, brach die Partei bei der Landtagswahl (LTW) 1990 auf 3,41 Millionen ein. Die SPD schöpfte ihr Potential dagegen in beiden Wahlen voll aus und erreichte 4,69 Millionen (BTW 87) bzw. 4,64 Millionen (LTW 90) Stimmen. An der Bundestagswahl 1990 nahmen die zu Haus gebliebenen CDU-Sympathisanten dann ein paar Monate später wieder teil – und stimmten für Kohl. Nichts spricht dafür, daß sich an diesem Grundmuster bei der Wahl am 16. Oktober irgend etwas ändert. Vor diesem Hintergrund entpuppt sich die Zustimmung der SPD zur Doppelwahl Anfang des Jahres als grandioses Eigentor. Ein Parteiinsider erklärt das so: „Die waren besoffen von den guten Meinungsumfragen für Scharping.“ Der Kater dürfte am 16. Oktober für viele SPD-Kommunalpolitiker ganz bitter ausfallen – nicht nur im rot-grünen Krefeld. Gelänge der Bonner Koalition in NRW ein ähnliches Wahlergebnis wie 1990, stünde auch in der SPD-regierten Landeshauptstadt Düsseldorf eine satte schwarz- gelbe Mehrheit ins Haus. Selbst in der Reviermetropole Essen ginge die absolute rote Mehrheit wohl flöten. In ihrer Not hoffen viele Sozialdemokraten vor Ort nun auf das sogenannte Stimmensplitting bei konservativen Wählern. Bei Düsseldorfs SPD-Chef Jürgen Büssow hört sich das so an: „Ich gehe davon aus, daß die Leute die verschiedenen Ebenen sehr genau kennen und da differenzieren.“

Eine Forsa-Befragung scheint ihm recht zu geben. Danach wollen 19 Prozent der WählerInnen beim Wahlgang im Oktober nicht einheitlich abstimmen. Ob diese Ankündigung in der Wahlkabine auch umgesetzt wird, steht indes dahin. Bisher wurde bei Doppelwahlen in NRW jedenfalls kaum differenziert. Da es die jetzt anstehende Kombination – Kommunalwahl plus Bundestagswahl – noch nie zuvor gab, bleibt viel Raum für Spekulationen. Ganz offensichlich traut selbst Forsa-Chef Güllner seiner eigenen Umfrage nur bedingt. Letztendlich, so vermutete der Wahlforscher jüngst, würden die Wählerinnen wohl doch „zweimal dieselbe Partei wählen“.

Neben der CDU dürfte davon auf lokaler Ebene am meisten die FDP profitieren. Bei den reinen Kommunalwahlen scheiterte die FDP in der Vergangenheit in vielen Kommunen an der Fünfprozenthürde. Auch die Grünen müssen den doppelten Urnengang wohl nicht fürchten. Dabei waren die Grünen die einzigen, die im Landtag gegen die Zusammenlegung gestimmt hatten. Fraktionschef Michael Vesper hatte seinerzeit die Ablehnung mit der „Gefahr“ begründet, daß sonst die Kommunalwahl „durch bundespolitische Themen überlagert würde“. Worte, die den Sozialdemokraten in den Ohren klingeln müßten.