Zustand des Plattensees „tragisch“

Algenpest im ungarischen Plattensee könnte im nächsten Sommer noch schlimmer sein als bislang / Regierung will Tourismusindustrie für die Rettung des Sees zur Kasse bitten  ■ Aus Budapest Keno Verseck

Der Zustand des Plattensees (Balaton) ist schlimmer als erwartet. Mit Worten wie „katastrophal“ und „tragisch“ beschrieben in den vergangenen Tagen sowohl Ungarns Umweltminister Ferenc Baja als auch der „Regionale Balatonrat“ die ökologisch desolate Situation des größten mitteleuropäischen Sees, nachdem in der letzten Woche eine Algenpest ausgebrochen war.

Um sich über ihr Ausmaß ein Bild zu machen, will in den nächsten Tagen der ungarische Regierungschef Gyula Horn persönlich an den Plattensee fahren. Umweltminister Baja kündigte an, daß die Regierung bis Ende September über Maßnahmen zur Rettung des Sees und ihre Finanzierung entscheiden will.

Baja hatte nach einer Sitzung des Balatonrates am Montag gesagt, das Umweltministerium sei schon seit längerer Zeit über die Gefährdung des Sees informiert gewesen. So sei die Nachricht von der Algenpest nicht überraschend gekommen. Wenn das Ministerium bislang trotzdem nichts getan habe, dann liege das an mangelndem Geld.

Baja lehnte zugleich ab, daß nur der Staat für die notwendigen Gesundungsmaßnahmen verantwortlich sei und forderte, daß diejenigen, die vom Plattensee ökonomisch profitierten – die Kommunen und die Tourismusindustrie – sich finanziell an seiner Rettung beteiligen müßten.

Unterdessen gehen Experten davon aus, daß die Algenpest zu Beginn des nächsten Sommers noch schlimmer sein wird als zur Zeit. Zwar würden die Algen im Winter absterben, ihre Sporen jedoch überleben. Auch das Fischsterben könne damit weit größere Ausmaße annehmen als bislang.

Als Ursache der Algenpest nennen Experten vor allem den Massentourismus sowie unkontrollierte Abwassereinleitungen in das ökologisch empfindliche Binnengewässer. Er ist zwar 77 Kilometer lang und zwischen 3 und 14 Kilometer breit. Doch seine Durchschnittstiefe beträgt nur drei Meter; an manchen Stellen können die Badegäste einen Kilometer in den See hineinwaten. Darüber hinaus schütten rund hunderttausend Angler jährlich massenweise Futtermittel ins Wasser, um Fische anzulocken.

Die Behörden der Region erwägen gegenwärtig ein stellenweises Badeverbot, da die Algen Hautkrankheiten auslösen können. Das lokale Gesundheitsamt in der Stadt Veszprém schätzt, daß seit dem Sommer 94 bereits einige hundert Menschen infolge des Badens im Plattensee erkrankt sind. Nach westlichen Standards, so ein Mitarbeiter des Budapester „Biologischen und Limnologischen Forschungsinstitutes“, dürfte schon längst niemand mehr im See baden.