Inszenierte Freundschaft

Ausstellung zu Beziehungen zwischen Berlinern und Amerikanern blendet Reibungspunkte aus / Blick durch die rosafarbene Brille  ■ Von Frank Kempe

Wie sich die zur Schau gestellten Bilder gleichen: Berliner Hausfrauen, die „Rosinenbomber“-Piloten mit gebleckten Zähnen und selbstgepflückten Blumen danken. Fotos von amerikanischen Pfadfindern, die kistenweise Spielsachen an glückstrahlende Berliner Gören verschenken, und kraftstrotzende GIs, die in der Frontstadt des Kalten Krieges Bücher an das lesehungrige Volk verteilen.

Andere Aufnahmen, die in der Ausstellung „Amerika steht an Ihrer Seite – Amerikaner und Berliner 1945–1994“ zur Zeit im Amerika Haus zu sehen sind, zeigen Trümmerfrauen an einer Ausgabestelle für US-Kleiderspenden, Volkes Jubelorgien beim Kennedy-Besuch und bei Militärparaden oder Verbrüderungsszenen von Berliner Bürgermeistern mit politischer oder militärischer US-Prominenz.

Eine Schau immer wiederkehrender Inszenierungen der angeblich so innigen Freundschaft zwischen Berlinern und Amerikanern: Hier die aufopferungsvolle Schutzmacht, da die glückseligen Beschützten, dazwischen Friede, Freude, Eierkuchen – ein verklärter Blick auf die Beziehungen zwischen Befreiern und Befreiten. „Helfende Hände in den fünfziger Jahren“, „Die Luftbrücke – Prüfung und Triumph“ oder „Amerikanische Verfechter der Sache Berlins“ lauten die Titel einzelner Ausstellungsabschnitte. Eine fast 50 Jahre dauernde Liaison, gesehen durch die rosafarbene Brille.

Kein reibungsloses Verhältnis

Denn so reibungslos, wie es Ausstellungsmacher Richard Gardene glauben machen will, war das Verhältnis nicht. Oft genug knisterte es, nicht selten krachte es sogar gehörig: Etwa bei den studentischen Protesten gegen den Vietnamkrieg der verhaßten „US-Imperialisten“, die fast alle Semester der Universitäten in Aufruhr versetzten und selbst den heutigen Ausstellungsort, das Amerika Haus, nicht verschonten.

Genausowenig findet sich ein Wort oder Bild von den Besuchen des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, der 1982 wie 1987 von der autonomen Szene mit Eiern und anderen Wurfgeschossen empfangen wurde. Weder für die „Schlacht am Nollendorfplatz“ von 1982, die in die Annalen linker Geschichtsschreibung einging, noch für den von der Polizei entfachten „Lappenkrieg“ um Anti- Reagan-Transparente an Häuserwänden schuf Gardener an den Stellwänden Platz. „Das war einfach schwierig vom Bildmaterial her“, so seine Ausrede. Immerhin habe er doch ein Diabild von den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg ins Programm genommen.

Statt die zum Teil weitverbreitete „Ami, go home“-Haltung in der Bevölkerung ins rechte Licht zu rücken, zeigt die Ausstellung zumeist eben Bilder aus der gutsortierten US-Mottenkiste: Fotos von Colonel Gail Halvorsen, der während der Luftbrücke der US Air- Force 1948/49 kleine Fallschirme mit Süßigkeiten auf die Kinder herabsegeln ließ, oder von der rührigen Johanna Deter, die „im Namen aller Berliner und als Würdigung aller Piloten“ dem natürlich hocherfreuten Flugkapitän Robert G. Livessy einen Hundewelpen überreicht. Ein Beispiel dafür, wie Geschichte glattgebügelt werden kann.

Selbst den bürgerlichen Widerstand, der sich immer wieder gegen die GIs formierte, blendete der amerikanische Geschichtsdekorateur vorsichtshalber aus: zum Beispiel die wütenden Proteste gegen die bei Manövern durch Naherholungsgebiete rumpelnden Panzer, gegen die mörderischen Kriegsspiele der US-Soldaten in leerstehenden Kreuzberger Häusern oder den Bau einer US-Kaserne in den naturgeschützten Düppeler Feldern Anfang der siebziger Jahre.

Sicher, sagt Gardener, die Reibungspunkte in den Beziehungen seien etwas zu kurz gekommen. Aus Platzgründen, versteht sich. Denn von einer Zensur durch die US-Botschaft könne keine Rede sein. Wohlwollendes Nicken der Diplomaten habe er geerntet, als er erste „Testballons“ habe steigen lassen. Keine Frage, einige davon müssen – wie auch immer – geplatzt sein.