■ Ökolumne
: Im Kern Europas Von Alois Berger

Vorwärts, Schäuble, jetzt nicht einknicken. Auf geht's nach Kerneuropa! Und nichts vergessen. Warum eigentlich soll die künftige Kerntruppe der Europäischen Union vor allem in der gemeinsamen Innen- und Außenpolitik eine Vorreiterrolle spielen, wie Sie in Ihrem Papier schreiben? Wieso nicht auch oder gerade in der Sozial- und Umweltpolitik? Kerneuropa ja, aber dann bitte ein soziales und ökologisches. Wer K sagt, muß auch Ö sagen, Herr Schäuble.

Im Grunde sind wir ohnehin längst mittendrin im Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Oder hat England inzwischen heimlich die Sozialcharta unterschrieben? Mischen die Iren, Dänen und Briten jetzt doch beim Schengener Abkommen mit, ohne daß wir das gemerkt hätten? In Deutschland, Frankreich, Luxemburg arbeiten die Banken daran, wie sie ihre Geldautomaten auf eine Euopawährung umstellen können. Griechische und portugiesische Banken müssen sich damit nicht herumschlagen, weil die Kriterien für die Aufnahme in die Währungsunion der Drachme und dem Escudo ein noch langes Leben sichern.

Aber Wirtschaft und Umwelt gehören zusammen. Deshalb ist es Blödsinn, die Mitgliedsländer der Währungsunion nur danach auszusuchen, ob sie ihre Haushaltsdefizite und ihre Inflation im Griff haben. Ins Kerneuropa, und die Währungsunion ist nichts anderes, gehören nur Länder, die mindestens die Sozialcharta unterschrieben haben und die nachweislich den Umweltschutz ernst nehmen.

Wir haben uns sehr gefreut, Herr Schäuble, daß in Ihrem Papier die Umwelt als europäisches Kernthema zumindest angesprochen wurde, wenn auch nur ganz am Rande. Allerdings fragen wir uns, ob Sie das auch dem Töpfer gesagt haben. Wenn wir uns recht erinnern, sind Sie beide seit zwölf Jahren an einflußreichen Stellen in der regierenden Koalition tätig, ohne daß diese in der Europäischen Union als Kämpfer für die Umwelt aufgefallen wäre. Das heißt, der Umweltminister hat schon immer wieder mal schöne Forderungen laut vorgetragen, aber wenn es drauf ankam, bei den Pestiziden zum Beispiel oder bei der Umweltsteuer, dann wurde er ganz schnell vom Landwirtschafts- oder Wirtschaftsminister an den Hosenträgern zurückgezogen.

Aber das wird jetzt alles ganz anders, und deshalb wundern wir uns, warum Töpfer bisher noch nichts gesagt hat zu Kerneuropa. Haallo, Herr Umweltminister, aufwachen, Käärneuropa steht vor der Tür! Endlich können Sie in Brüssel eine vernünftige Umweltpolitik machen, ohne daß Sie sich dauernd auf den Widerstand der Südländer berufen müssen. Mit Holland, Belgien und Luxemburg ist die Ökosteuer so gut wie beschlossen, mit Frankreich könnte es noch ein bißchen zäh werden, ist aber möglich, und wenn Sie die Hosenträger zu Hause lassen, Herr Töpfer, greift auch Ihr Wirtschaftsminister ins Leere.

Es spricht ohnehin nichts dagegen, daß die stärker industrialisierten Länder mit der Umweltsteuer vorausgehen. Wenn sich die Regierungen schon nicht von ihrem Glauben abbringen lassen, daß höhere Energie- und niedrigere Arbeitskosten ein Wettbewerbsnachteil wären und deshalb nur im Verbund eingeführt werden könnten, dann sollen die härtesten Konkurrenten eben gemeinsam den Anfang machen. Eleganterweise sitzen die ziemlich genau in Schäubles Kerneuropa oder sie drängen mit aller Macht dorhin, wie Österreich, Italien oder einige skandinavische Länder.

Daß Griechen, Portugiesen und Spanier erst noch beim billigen Sprit bleiben werden, weil sie glauben, daß sie sonst den industriellen Rückstand nicht aufholen könnten, ist dann nicht so schlimm. Da wird selbst der Wirtschaftsminister Schwierigkeiten haben, einen Wettbewerbsnachteil für die deutsche Industrie zu begründen. Außerdem, wer mehr Energie verbraucht, kann auch mehr einsparen, das haben Sie selbst gesagt, Herr Umweltminister. Und die Kernländer verbrauchen enorm viel mehr als die anderen Europäer.

Die Ökosteuer ist nur der Anfang. Wenn es stimmt, wie es in dem Unions-Papier steht, daß von Kerneuropa eine Anziehungskraft auf die anderen ausgeht, dann kann das der Umwelt nur guttun. Irgendwann wird selbst Großbritannien anfangen, Umweltpunkte zu sammeln, um in die Champions-League aufzusteigen. Vorausgesetzt, Schäuble und Töpfer, daß Sie jetzt nicht wieder halbe Sachen machen.