Fest entschlossen, wenn auch einsam

■ Nach Clintons Rede ist mit einer Besetzung Haitis zu rechnen, falls General Cedras nicht doch noch sein Angebot annimmt und mit zwölf Millionen Dollar an die Cote d'Azur emigriert / Die ...

Nach Clintons Rede ist mit einer Besetzung Haitis zu rechnen, falls General Cédras nicht doch noch sein Angebot annimmt und mit zwölf Millionen Dollar an die Côte d'Azur emigriert / Die amerikanische Öffentlichkeit ist gegen eine Invasion

Fest entschlossen, wenn auch einsam

So richtig wußten die US- Amerikaner vermutlich nicht, was sie schlimmer finden sollten: Die Ankündigung ihres Präsidenten, Invasionstruppen nach Haiti zu schicken oder die Absage der „Baseball World Series“, der Endspielserie, wegen des Spielerstreiks.

Die bevorstehende Militärintervention in Haiti ist in den USA sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Kongreß höchst unpopulär. Daran hat auch Bill Clintons Ansprache an die Nation am Donnerstag abend nicht viel geändert. Während draußen vor dem Weißen Haus Mitglieder der US-Friedensbewegung gegen eine Invasion demonstrierten und, aus politisch anderen Motiven, auf dem Kapitol Abgeordnete beider Parteien den Präsidenten attackierten, versuchte Clinton den Fernsehzuschauern die Gründe für sein Handeln darzulegen. Sollten sich die militärischen Führer unter General Raoul Cédras weiterhin weigern, freiwillig abzutreten, dann hätten die USA keine andere Wahl, als ihre Interessen mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Es gehe, so Clinton, darum, „die brutalen Grausamkeiten zu stoppen, die Zehntausende von Haitianern bedrohen; unsere Grenzen zu sichern und Stabilität in der Region garantieren; die Demokratie zu fördern; und die Verläßlichkeit unseres Engagements in der Welt zu demonstrieren.“

Clinton mischte geschickt moralische Argumente mit pragmatischen: Er schilderte die Menschenrechtsverletzungen gegen die haitianische Zivilbevölkerung durch Militärs und Todesschwadrone und malte den Fernsehzuschauern zugleich die Folgen einer weiteren Flüchtlingswelle aus.

Seine Kritiker im eigenen Parlament zeigten sich durch diese Argumente nicht beeindruckt. Abgeordnete beider Parteien bestehen nach wie vor darauf, daß Clinton vor einem Einsatzbefehl die Zustimmung des Kongresses einholt – wohl wissend, daß sich eine Mehrheit für die Invasion nicht finden wird. Entsprechende Anträge stehen bereits am Montag zur Debatte. Vertreter des Weißen Hauses bemühten sich gestern und heute nach Kräften, diese Abstimmung abzuwenden. Verhindern kann der Kongreß die Invasion allerdings nicht: Seine Ablehnung wäre zwar eine Blamage für Clinton, aber nicht bindend.

Die Motive der Opposition sind vielfältig. Eine große Rolle spielt die Abneigung amerikanischer Senatoren gegen Jean Bertrand Aristide, den viele nach wie vor für einen anti-amerikanischen, potentiell sozialistischen Populisten halten. Ihnen machte Clinton seine Politik gestern mit der Ankündigung schmackhaft, daß Aristide versprochen habe, nach Ende seiner Amtszeit im Februar 1996 im Einklang mit der haitianischen Verfassung abzutreten. Ursprünglich war diskutiert worden, daß Aristide nach seiner Rückkehr die drei Jahre im US-Exil an seine offizielle Amtszeit anhängt.

Von dem haitianischen Präsidenten selbst war in den letzten Tagen und Wochen nichts zu den jüngsten Entwicklungen zu hören. „Kein Kommentar“, erklärte auf Anfrage eine Sprecherin in Washington. Aristide werde sich zu gegebener Zeit äußern.

Seine Wiedereinsetzung wird in der Resolution 940 des UN-Sicherheitsrats vom 31. Juli explizit verlangt, auf die sich auch Clinton beruft. Offiziell wird es sich bei der Invasion um eine multinationale Truppe handeln: Das 20.000 Männer und Frauen starke amerikanische Kontingent wird darum von 266 karibischen Soldaten begleitet.

Das Klima zwischen der Clinton-Administration und Aristide hat sich nach Berichten der Washington Post enorm gebessert, seit im Mai diesen Jahres der für Haiti zuständige US-Sondergesandte Lawrence Pezzullo durch den ehemaligen Kongreßabgeordneten William Gray abgelöst wurde. Gray hat beste Kontakte zum „Black Caucus“, jenem Zusammenschluß afroamerikanischer Abgeordneter, die Aristide von Beginn an maßgeblich unterstützt haben. Unterdessen hat der haitianische Präsident begonnen, auf dem US-Navy-Stützpunkt Guantanamo Bay, wo 14.000 haitianische Flüchtlinge untergebracht sind, Mitglieder für eine neue Polizeitruppe zu rekrutieren.

Wann genau Aristide nach Haiti zurückkehrt, ist bislang unklar. Seine Ankunft in Port-au-Prince könnte nach Angaben aus US-Regierungskreisen wenige Tage, wenn nicht Stunden, nach der Ankunft von US-Truppen erfolgen.

In Washington hofft man immer noch, daß die US-Soldaten nicht als Invasionstruppen, sondern nach dem freiwilligen Abtritt der haitianischen Militärspitze quasi als willkommene Eskorte und Garant für die Sicherheit Aristides an Land gehen werden.

Noch Mitte dieser Woche hatte Bill Clinton über die US-Botschaft in Port-au-Prince dem haitianischen Militärführer, Generalleutnant Raoul Cédras, ausrichten lassen, Washington würde Visa, Geld und das Flugzeug für die Ausreise ins Exil zu Verfügung stellen, sollten Cédras, sein Stabschef Philippe Biamby und Polizeichef Michel François freiwillig ihre Plätze räumen. Als Entgelt für ein solches Entgegenkommen könnten sich die drei Putschisten Hoffnung auf bis zu zwölf Millionen Dollar machen, die Clinton Anfang des Monats für „geheime Operationen“ der CIA in Haiti bewilligt hatte. Aristide konnte solch fürstliche Unterstützung aus den USA weder zu Amtszeiten, noch im Exil in Anspruch nehmen.

Unmittelbar nach Clintons Fernsehansprache hatte sich Cédras in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS noch unbeeindruckt gezeigt. Er wolle lieber an der Seite seines Volkes kämpfen, als das Land freiwillig verlassen, erklärte der Mann, der, mit dem Volk alleingelassen, vermutlich keine fünf Minuten überleben würde. Cédras hatte Aristide im September 1991 gestürzt.

Doch hinter den Kulissen versuchen die Militärführer offenbar Zeit zu gewinnen. Am Freitag morgen ließen sie laut Agenturmeldungen über den ehemaligen jamaikanischen Premierminister Edward Seaga ausrichten, man würde die Rückkehr Aristides akzeptieren, wenn dafür auf die Invasion verzichtet werde. Das US-Außenministerium bemerkte dazu lediglich, das Putschistentrio hätte bedingungslos abzutreten. Andrea Böhm, Washington