BND darf lauschen und schnüffeln

Vermittlungsausschuß einigte sich gestern über das monatelang heftig umstrittene Verbrechensbekämpfungsgesetz / Verabschiedung noch in dieser Woche geplant  ■ Aus Bonn Erwin Single

Am Ende schienen alle mit dem Ergebnis zufrieden zu sein: Innenminister Manfred Kanther (CDU) hatte „Gesamtkonzeption und Kernelemente“ seines vor einem Jahr vorgelegten „Sicherheitspakets 94“ durchgeboxt, die Unionsunterhändler einen „großen Erfolg“ (Kanzleramtsminister Friedrich Bohl) errungen und die Sozialdemokraten sich ein leidiges Wahlkampfthema vom Hals geschafft. Das „Verbrechensbekämpfungsgesetz“, das die Mitglieder des Vermittlungsausschusses gestern passieren ließen, wird nun noch in dieser Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Daß das heftig umstrittene Gesetzesvorhaben gestern bei den SPD-Unterhändlern auf keinen nennenswerten Widerstand mehr stieß, dafür hatte der vor einer Woche von einer Verhandlungsrunde ausgetüftelte Kompromißvorschlag gesorgt. Er sieht unter anderem eine Reihe von Strafverschärfungen bei Drogendelikten, Körperverletzungen und rechtsradikalen Straftaten vor. So wird etwa der Strafrahmen für die Auschwitz- Leugnung, das Bestreiten nationalsozialistischer Massenmorde an Juden, von drei auf fünf Jahre heraufgesetzt. Um dies durchzusetzen, mußte die SPD jedoch weitere Zugeständnisse beim Einsatz der Nachrichtendienste im Kampf gegen die sogenannte Organisierte Kriminalität und bei der Kronzeugenregelung für Bandenmitglieder machen.

Entsprechend harsch fällt auch die Kritik an den vom Bundestag im Mai beschlossenen, anschließend vom Bundesrat abgelehnten und nun nachgebesserten Regelungen aus. Für Bürgerrechte eintretende Organisationen sehen darin nach wie vor eine gezielte Aushöhlung rechtstaatlicher Prinzipien. Anwaltsvereine, Strafverteidigervereinigung und renommierte Rechtslehrer haben vor allem gegen die vorgesehene Verkürzung von Strafverfahren Protest eingelegt. Sofern eine „einfache Beweislage“ vorliegt und den Straftätern höchstens ein Jahr Haft droht, kann Justitia die Angeklagten künftig in sogenannten beschleunigten Verfahren schon unmittelbar nach der Tat aburteilen. Erst wenn Freiheitsentzug von mehr als sechs Monaten droht, muß ein Verteidiger hinzugezogen werden. Auch können erwachsene Ausländer, sofern sie wegen Drogenhandels zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, demnächst unverzüglich ausgewiesen werden.

Strittigster Punkt bleibt jedoch die Einbindung der Nachrichtendienste. Sie sollen bei der Bekämpfung der internationalen Schwerkriminalität wie Geldwäsche, Drogenkriminalität, Plutoniumschmuggel oder illegale Waffengeschäfte künftig den Justizbehörden Amtshilfe leisten. Zwar betonen SPD-Rechtsexperten, die Geheimdienste erhielten durch den Kompromiß keinerlei Zuständigkeit bei der Strafverfolgung. Doch konnten CDU/CSU und FDP immerhin durchsetzen, daß etwa der Bundesnachrichtendienst (BND) beim Abhören des internationalen Telefon- und Funkverkehrs „Suchbegriffe“ verwendet, Informationen sammelt und diese den Strafverfolgern zur Verfügung stellen kann. Während Bürgerrechtler darin weiterhin eine systematische Beseitigung der verfassungsrechtlichen Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten sehen, befürchten die Datenschutzbeauftragten eine ausufernde Telefonüberwachung. Und sogar der Bund Deutscher Kriminalbeamten (BDK) hält die Regelung für bedenklich.

Auch bei der Kronzeugen-Regelung knickte die SPD ein. Der Ablaßhandel, einst für abschwördende RAF-Mitglieder eingeführt, wird nun, allerdings befristet bis Ende nächsten Jahres, auf die Organisierte Kriminalität erweitert.