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Ein Klassenfeind?

■ Der PDS-Vorstand verhandelte gestern öffentlich den „Fall Karin Dörre“

Zum „Klassenfeind“ war PDS- Vorstandsmitglied Karin Dörre übergelaufen und hatte mit drastischen Worten im Spiegel den mangelnden Erneuerungswillen ihrer Partei angeprangert. Die Vorwürfe reichten von „Geheimdiplomatie“ in Gysis „Küchenkabinett“ bis zur Aufgabe politischer Moral und gipfelten in der Feststellung, im Kampf um den Einzug in den Bundestag würden „alle politischen Diskussionen weggedrückt“. Es sei „wie zu schlechtesten SED-Zeiten“.

Die Tatsache, daß gestern der 18köpfige Parteivorstand zu einer gut besuchten öffentlichen Sitzung zusammentrat, um über die Vorwürfe zu diskutieren, zeigte die Absurdität dieser Kritik. Zwar räumte man teilweise erhebliche Defizite in der innerparteilichen Diskussion ein, doch einmütig war die Distanzierung vom SED-Vergleich. Gysi warf ihr schließlich vor, sie lasse sich von den PDS- Gegnern instrumentalisieren.

Diese aber nahm von ihrer Kritik nichts zurück, deren Anlaß die Art und Weise gewesen sei, wie Kerstin Kaiser mit ihrer IM-Tätigkeit umgehe. Die Brandenburger Bundestagskandidatin hatte während eines Studienaufenthaltes in Leningrad Kommilitonen bespitzelt. Offensichtlich, so Karin Dörre, sei in der Partei „eine Stasi- Biographie inzwischen eine Empfehlung“. Alle Spekulationen darüber, sie wolle zum Neuen Forum wechseln, wies Karin Dörre als „Denunziation“ zurück. Konsequenzen, etwa den Rücktritt oder die Niederlegung ihres Berliner Landtagsmandates, forderte keiner von ihr, im Gegenteil: „Die Tatsache, daß wir diese Kritik aushalten und öffentlich darüber diskutieren“, so Gregor Gysi, „ist Teil unseres Verständnisses von innerparteilicher Demokratie.“ Anschließend diskutierte der Vorstand in geheimer Sitzung die IM- Tätigkeit von Kerstin Kaiser. Ihm lag ein Antrag mehrerer Vorstandsmitglieder vor, in dem Karin Dörre aufgefordert wurde, bei ihrer Wahl das Mandat nicht anzunehmen. Christoph Seils

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