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Vollbad im Büchermeer

„Was für Farben es alles gibt“, staunt der Schweizer Peter Wüthrich, und wir mit ihm: In hundert Farbfacetten schillern die 1000 Bände, die der derzeitige Gastkünstler im „Haus am Deich“ ausgegossen hat – die ganze Vielfalt der Bücher, ihrer schönen Einbände, Titel und Themen. Allerdings säuberlich voneinander getrennt. Denn das ist Wüthrichs nicht eben geringes Ziel: Buch und Text, Objekt und Inhalt, letztlich Körper und Seele zu scheiden – eine Art Kernspaltung der Kultur, nicht weniger.

So hat Wüthrich seinen Bücherberg als hübschbuntes Mosaik auf dem Boden ausgebreitet, die Titel aber an die Wand geschrieben, Schwarz auf Weiß. Und tatsächlich wird dabei die ganze Pracht literarischen Schaffens auf einmal sichtbar. Ihrer Körper beraubt, flüstern die kargen Titel ihre Botschaften von der Wand: „James Bond greift ein“, „Die Machtblöcke des Ostblocks“, „Wörter und ihre Schicksale“ – Konkrete Poesie, wie sie das Leben bzw. der Büchermarkt schreibt. Die Buchobjekte, ihres geistigen Inhalts beraubt, werden hingegen zu einem Stück Konkreter Malerei, ein fröhlich flirrender Flickenteppich: „Wozu malen, wenn die Welt voll Farbe ist?“

Die Destillation von Geistigem aus dem (Farb-)Körper: Das ist natürlich die Fortsetzung des Experiments, das Wüthrichs Kunstahnen, die Farbfeldmaler der 60er, anfingen. Die negativen Begleiterscheinungen dieser Spaltung aber sind noch immer nicht überwunden. Auch Wüthrichs Komponenten fallen derart auseinander, daß sie kein geschlossenes Werk mehr bieten: Wand- und Bodenarbeit dieser Rauminstallation sind eher ein Kunststück für sich – darin aber recht anregend. Und schließlich ist das Gastatlier im Künstlerhaus - das einzige in der Stadt - als Experimentiertbühne für unkommerzielle Kunstprojekte gedacht - und nicht jedes Experiment muß da bis ins Letzte gelingen.

tom/Foto: Nikolai Wolff

Bis 15.10, Am Deich 68/69; Eröffnung heute 20 Uhr

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